Die Sehnsucht des Dämons (German Edition)
waren. Die Tops waren überwiegend rückenfrei oder durchsichtig. Etwas Knielanges gab es überhaupt nicht. Aber alles war sehr geschmackvoll. Wer auch immer die Auswahl getroffen hatte, es handelte sich um jemanden mit gutem Geschmack.
Auch an die Unterwäsche war gedacht worden. Serena öffnete Kisten, in denen sie wunderschöne Seiden- und Spitzenwäsche in allen Farben entdeckte. Doch als sie sie anprobierte, musste sie feststellen, dass es sich ausschließlich um Viertelschalen-BHs handelte, die immer kurz unter ihren Brustwarzen endeten. Die Höschen waren entweder im Schritt offen oder winzige Tangas, die man nicht als Höschen bezeichnen konnte. Wahrscheinlich war er voll auf seine Kosten gekommen, als er den Kauf solcher Wäschestücke in Auftrag gegeben hatte.
Es dauerte also entsprechend lange, bis sie sich ein Ensemble zusammengestellt hatte, das einigermaßen ihren Vorstellungen entsprach. Sie wählte das längste Kleid von allen. Es bestand aus einem papierdünnen Material, das wie ein Wasserfall ihren Körper umspülte. Dazu kombinierte sie einen breiten Pashmina-Schal, der den tiefen Ausschnitt des Kleides bedeckte.
„Darf ich mal?“, fragte er, als sie ins Wohnzimmer zurückkam. Er schob den Schal weg, betrachtete sie von oben bis unten und nickte schließlich zufrieden. „Du wirst umkommen vor Hitze draußen, wenn du den Schal wirklich anlässt. Ansonsten akzeptabel.“
Sie widerstand der Versuchung, trotzig die Arme zu verschränken. „Die meisten Kleidungsstücke in diesem Schrank sehen aus, als stammten sie aus der Garderobe eines Callgirls.“
„Aber eines sehr exquisiten Callgirls. Die Sachen waren teuer. Aber wenn du darauf bestehst, können wir ja gleich auf dem Strip noch mal shoppen gehen.“
Als sie den palmengesäumten Boulevard entlangschlenderten, bestaunte Serena die imposanten Hotels. In einer Nachbildung von Venedig ruderten Gondolieri mit langen schwarzen Booten über Miniaturkanäle. New Yorks Wolkenkratzer und die Freiheitsstatue waren das Markenzeichen eines anderen Hotels. Ein weiteres zeigte eine Seeschlacht zwischen lebensgroßen Piratenschiffen. Die Sonne schien, es war ein schöner Tag. Und plötzlich kamen Serena Arielles Worte in den Sinn: Er hat die Macht, dich zu zerstören. Er kann deine Seele in die ewige Verdammnis stürzen, wenn etwas Schlimmes geschieht.
Etwas Schlimmes. Wie zum Beispiel, mit Julian zu schlafen? Das war Serena immer noch nicht ganz klar.
Wieder und wieder ging ihr Arielles Warnung durch den Kopf, während Julian über die Hotels, das schöne Wetter, seinen neuen Klub und die große Eröffnung redete. Sie selbst sagte kaum etwas, auch weil alles, was sie sagte, irgendwie sarkastisch klang. Er hatte recht, stellte sie fest. Es hatte keinen Zweck, sich permanent zu streiten. Ganz allmählich freundete sie sich mit dem Gedanken an, sich ihm gegenüber zivil zu verhalten. Am Ende fiel es ihr sogar ganz leicht – zu leicht.
„Erzähl mir was über dich“, forderte er sie auf, während er sie unterhakte.
Sie sträubte sich, versuchte, ihren Arm von ihm zu lösen. Ohne Erfolg. „Sie haben wahrscheinlich schon mehr über mich herausgefunden, als ich Ihnen erzählen könnte. Sie haben doch sicher Informationen über mich einholen lassen?“
Er lächelte und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Die Antwort lautete also Ja. „Willst du denn gar nichts über mich wissen?“ Es sollte wie ein Scherz klingen, doch Serena spürte, wie ernst er die Frage meinte.
„Nein“, war trotzdem die einzige Antwort, die sie geben konnte.
Natürlich war sie neugierig, und eigentlich wollte sie alles über ihn wissen. Wo er geboren war, wie er seine Kindheit verbracht hatte, wie es sich angefühlt hatte, als er das erste Mal verliebt gewesen war, wie er gestorben war. Die genauen Einzelheiten der Umstände, die ihn zu dem hatten werden lassen, was er heute war. Er war ein unfassbar gut aussehender Mann, hatte einen so schönen jungen Körper – doch in seinem Innern war er verbittert und alt.
Einige Antworten konnte sie sich vielleicht selbst geben. England war seine Heimat gewesen, wenn sie raten müsste. Das schloss sie aus seinen Bemerkungen über Coleridge und diesem Hauch von Akzent, den man dann und wann heraushörte. Sicher war er ein einsames Kind gewesen – einsam war er auch heute noch, wenn er sich unbeobachtet fühlte. Und das andere, was sie mit Sicherheit über ihn wusste, obwohl sie es nicht beweisen konnte: Sein Tod hatte
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