Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sehnsucht des Dämons (German Edition)

Die Sehnsucht des Dämons (German Edition)

Titel: Die Sehnsucht des Dämons (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Chong
Vom Netzwerk:
„Glücklich.“
    Wann hatte man ihm das zum letzten Mal gesagt, überlegte Julian. In den letzten zweihundert Jahren hatte er immer nur annähernd so etwas wie Glück empfunden. Lust, ganz bestimmt. Schadenfreude, ja. Überlegenheit, natürlich. Doch er hatte selbst diese Gefühle immer unter Kontrolle gehabt, sie nie zu groß werden lassen. Wahres Glück, nein. Nie. Es glich fast einer Beleidigung, als Harry ihn jetzt damit konfrontierte. Er runzelte die Stirn.
    „Machen Sie sich keine Gedanken, Sir“, beeilte Harry sich zu sagen, eindeutig erleichtert, als sein Boss eine andere Miene aufsetzte. „Es war nur ein sehr kurzer Moment, in dem Sie so anders wirkten. Irgendwie weniger dämonisch.“
    Beide Männer amüsierten sich über die Lächerlichkeit dieser Vorstellung. Julian trank einen großen Schluck Whisky, um seinen Schock zu verbergen. Mit ironischem Lächeln erwiderte er: „Jaja, wenn Schweine fliegen könnten!“
    Doch der Schaden war angerichtet. Es gab nichts weiter zu sagen, und Harry verließ schnell die Suite, als könnte er es nicht ertragen, noch mehr Glück zu sehen. Als die Tür zufiel, wurde Julian gewahr, dass sein Assistent recht hatte.
    Serena veränderte ihn.
    Fair Play, hatte sie am Abend zuvor gesagt. Nicht lügen, nicht betrügen. Das erschien ihm gestern noch undenkbar. Doch heute Nachmittag war er es bereits leid, seine übliche manipulative Taktik zu benutzen. Es war einfach eine Freude gewesen, ihr dabei zuzusehen, wie sie mit großen Augen Las Vegas entdeckte. Natürlich war sie darum bemüht gewesen, sich von den protzigen Fassaden und glitzernden Lichtern nicht beeindrucken zulassen, aber Julian konnte sie nicht täuschen. Dabei zu sein und zu sehen, wie sie den Strip erlebte, hatte sich angefühlt, als wäre er selbst gerade zum ersten Mal hier.
    Je mehr Zeit er mit ihr verbrachte, desto ehrlicher und weniger dämonisch fühlte er sich. Auch wenn sie es sich nicht ausdrücklich vorgenommen hatte: Sie sorgte dafür, dass er gut wurde.
    Alles hatte sich verändert – schon als er sie das erste Mal sah.
    Ohne es zu bemerken, hatte sie etwas in ihm ausgelöst. War in die Tiefen seiner Erinnerung vorgedrungen, die in den hintersten Winkeln seiner Gedanken vergraben lag. Hatte seine Gedanken zurückgeschickt in die Zeit, als er selbst noch ein Mensch gewesen war. In eine ferne Vergangenheit, an die zurückzudenken für ihn befriedigend und irritierend zugleich war.
    Aber so ging das nicht! Es war das Grauen. Es war vollkommen unakzeptabel. Es musste aufhören.
    Er musste sie augenblicklich vernichten. Nur so konnte er auch die letzten Reste von Menschlichkeit in sich selbst töten und den Teil von ihm zur Ruhe betten, der sich immer noch an das Gute zurücksehnte. Der Teil, der immer noch hoffte. Immer noch träumte.
    Immer noch verwundbar war.
    Er würde sie verführen. Ganz langsam und vorsichtig würde er in den verbleibenden Tagen ihre Zurückhaltung aufbrechen, ihre Verteidigungswälle schwächen. Voller Freude würde er zusehen, wie sie ihre mit Stolz gehegte Selbstkontrolle über Bord warf. Und dann würde er zuschlagen und sie mit der Kunst seiner Fertigkeiten, die er sich im Laufe von zwei Jahrhunderten Dämonendasein und Ausschweifungen angeeignet hatte, für sich einnehmen.
    In diesem Augenblick betrat Serena den Raum und riss ihn aus seinen Gedankenspielen.
    Die Zeit schien still zu stehen, so wie eine Woche zuvor, als er sie in seinem Klub zum ersten Mal gesehen hatte. Harry; die Sorge, menschliche Züge anzunehmen; sein Vorhaben, sie zu vernichten; das alles war wie weggeblasen.
    Er hatte nur noch Augen für sie.
    Es überraschte ihn, wie beiläufig sie mit ihrer Schönheit umging. Er kannte viele schöne Frauen, aber die meisten von ihnen waren eitel und affektiert. Und wenn er mit ihnen fertig war, waren sie noch schlimmer, noch verzweifelter in all ihrer Maßlosigkeit und Gier.
    Bei Serena war das anders. Ihm wurde in diesem Moment klar, dass sie sich niemals ändern würde, nicht einmal wenn er ihr ein Königreich an Gold und Juwelen zur Verfügung stellte. Ihr Kleid war wunderschön und passte perfekt, doch dafür hatte er keine Augen. Er sah nur die Frau. Sie war himmlisch. Engelhaft. Prachtvoll. Und doch stand sie mit einer Bescheidenheit vor ihm, die er noch nie zuvor an einem Wesen erlebt hatte.
    Und diese Bescheidenheit machte ihn selbst demütig. Für einen kurzen Augenblick dachte er sogar darüber nach, sie gehen zu lassen und sie zurück nach Los Angeles

Weitere Kostenlose Bücher