Die Sehnsucht des Dämons (German Edition)
die Hände gestützt. Er sprang auf, als er die beiden kommen sah. Angst stand in sein Gesicht geschrieben.
„Harry, Sie können jetzt gehen“, sagte Julian ruhig.
„Es tut mir so leid, Sir. Ich wollte nicht, dass sie entkommt, es war mein Fehler.“ Harry blickte unter sich.
Es war unmöglich, dass Harry sich für sie opferte. Sie musste die Wahrheit sagen. „Es war nicht seine Schuld, Julian. Ich bin schuld.“
Julian machte eine entlassende Geste in Harrys Richtung. „Gehen Sie einfach.“
Harry riss die Augen auf, sagte aber nichts. Serena hätte ihm so gerne beigestanden. Hoffentlich bekam er ihretwegen keine Schwierigkeiten. Aber sie ahnte schon, was sich da zusammenbraute. Daher war sie lieber still, als Harry zur Tür hinausschlüpfte.
Julian ging hinüber zur Minibar und goss sich einen Drink ein. Dann trat er hinaus auf den Balkon. Es war offensichtlich, dass er allein sein wollte. Dennoch folgte sie ihm.
In seinem Gesicht zuckte es, als er den Blick über die Stadt schweifen ließ. Serena sah er nicht an. „Luciana ist weg. Sie wird dir nichts mehr tun.“
„Was ist zwischen euch beiden vorgefallen?“
Genau diese Frage stellte er sich seit zweihundert Jahren. Er stieß einen langen Seufzer aus. „Luciana ist der Grund dafür, dass ich ein Dämon bin.“
„Oh.“ Ihr Flüstern war nicht viel mehr als ein Lufthauch, der in der Brise davongetragen wurde. „Du musst es mir nicht erzählen.“ Nach allem, was zwischen ihnen vorgefallen war, und so vertraut, wie sie mittlerweile miteinander umgingen, begann Serena endlich, ihn zu duzen.
„Ich möchte aber, dass du es verstehst.“ Und mehr noch – er selbst wollte es auch endlich verstehen. Sie gingen zurück ins Wohnzimmer und setzten sich aufs Sofa. Dann begann er seine Geschichte zu erzählen. „Vor langer, langer Zeit gab es einen verwöhnten kleinen englischen Lord …“
„Du bist ein Lord, Julian?“, unterbrach sie ihn erstaunt.
Er lächelte. „Dieser Teil von mir starb schon vor zweihundert Jahren. Das hat heute keine Bedeutung mehr. Aber ja, damals war ich der Earl von Leyburn.“
Und dann strömte alles aus ihm heraus. Sein Leben als Mensch breitete sich vor ihm aus, vermischte sich mit der Gegenwart. Die Zeit verging wie im Fluge. Schon begann die Sonne hinter dem Horizont zu verschwinden. Die Berge waren nur noch Schatten im Hintergrund. Bald würde es dunkel werden.
Die Geschichte von seiner Kindheit und dem Tod seiner Mutter trieb Serena die Tränen in die Augen, obwohl er sich alle Mühe gab, einen neutralen Ton anzuschlagen. Aber ihre Reaktion war verständlich, erinnerte der Verlust eines Elternteils in einem so jungen Alter sie doch nur allzu sehr an den Tod ihres eigenen Vaters. Er sprach weiter, erzählte ihr von seiner schmerzvollen Jugendzeit. Als er schließlich von Oxford berichtete, klang er plötzlich sentimental, ohne es zu wollen. Er grinste beinahe, als er von seiner Kavaliersreise durch Europa erzählte und von der Freude, die es ihm bereitete, Venedig zu entdecken. Und dann kam der schwerste Teil der Geschichte.
„In Venedig habe ich Luciana das erste Mal gesehen. Sie war die Tochter eines Seidenhändlers, kaum siebzehn Jahre alt, als sie mir das erste Mal begegnete. Sie schlenderte an einem schönen Sommertag an einem der Kanäle entlang.“
Er unterbrach seine Erzählung, um etwas vom Zimmerservice zu bestellen. Während er die Speisekarte überflog, überlegte Julian, wie er weitererzählen sollte. Es gab ein paar Dinge, die Serena nicht zu wissen brauchte. Dinge, die sie nur verletzen würden. Zum Beispiel, wie ihn Lucianas Frische und Schönheit, ihre schwarzen Haare und smaragdgrünen Augen fasziniert hatten. Sie war das schönste Wesen, das er je gesehen hatte – bis er Serena traf. Als er Luciana an jenem Tag begegnete, war es unerträglich heiß in der Stadt, doch Luciana war so kühl und frisch wie die Meeresbrise. Er hatte sie angesprochen unter dem Vorwand, er habe sich verlaufen. Luciana hatte ihm freundlich den Weg gewiesen und über seine Versuche gelacht, sich auf Italienisch mit ihr zu unterhalten. Sie antwortete ihm in einem schüchternen Englisch.
Sie trafen sich von da an jeden Tag heimlich an dieser Stelle unweit der Rialtobrücke. Dann schlenderten sie gemeinsam an den Kanälen entlang, unterhielten sich gebrochen in zwei Sprachen und lachten gemeinsam über ihre sprachlichen Fehler. Er begann, ihr kleine Geschenke mitzubringen. Zuerst Blumen, Kleinigkeiten vom Markt,
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