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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Wald, rechts von der Burg, da hat es ein paar mächtige Eichen, die noch unversehrt sind. Geh dorthin und nimm von jedem Baum ein wenig.«
    Ich war schon ein ziemlich weites Stück gegangen, ehe ich die ersten unversehrten Eichenbäume erblickte. Vom schnellen Marschieren war mir warm geworden, meine Haare hatten sich gelöst und klebten auf meiner feuchten Stirn. Müdehielt ich inne, als ich plötzlich ganz in meiner Nähe einen seltsamen Gesang hörte.
    »Ich schall mein Horn in Jammerton, mein
    Freud ist mir verschwunden,
    und hab’ gejagt ohn’ Abelon, es
    läuft noch vor den Hunden, ein
    edles Gwild in dem Gefild, als ich hab’
    auserkoren, es scheucht ab mir, als ich es
    spür’, mein Jagen ist verloren …«
    Starr vor Schreck zuckte ich zusammen. Durch den aufsteigenden Morgennebel war dieses todtrauriges Lied zu hören. Eine Männerstimme drang durch die kalten Schwaden zu mir herüber. Im nächsten Augenblick schon duckte ich mich hinter einen weiß bepuderten Vogelbeerenstrauch. Die Stimme war nur noch ein kleines Stück von mir entfernt.
    »Fahr hin, Gewild, in Waldes Lust!
    Ich will dir nit mehr
    schrecken mit Jagen dein’ schneeweiße Brust,
    ein andrer muß dich wecken
    und jagen frei mit Hunden Krei, da du nit magst
    entrinnen. Halt dich in Hut, mein Tierlein gut, mit Leid
    scheid’ ich von hinnen.«
    In den Leidgesang mischte sich nun der Hufschlag und das Prusten zweier Rösser. Kurz darauf kamen sie in Sicht. Auf dem einen saß Herzog Ulrich! Ich erschrak erneut. Was, wenn er mich hier in seinem Wald entdeckte? Noch konnte ich nicht erkennen, wer der andere Reiter war. Während ich mich versteckt hielt, schalt ich mich für meine eigene Unachtsamkeit. Hatte ich nicht im Dorf gehört, daß der Herzog auf der Durchreise war und für zwei Tage Rast auf seiner Burg machte? Da er dieses Mal mit großem Hofstaat reiste, waren wir Dörflerallerdings von dem herzöglichen Besuch nicht weiter betroffen. Köche, Zimmermädchen, Mägde und andere dienstbare Geister waren in einem viele Wagen langen Troß schon vor Tagen angereist, um die Burg wohnlich zu machen und die vielen Räume zu heizen. Vorsichtig hob ich den Kopf und linste aus meinem Versteck hervor. Nun erkannte ich auch den zweiten Mann. Es war Hans von Hutten. Am liebsten wäre ich hervorgesprungen und hätte die beiden von ihren edlen Rössern gezerrt! Wie konnte sich unser Landesvater dem Müßiggang hingeben, während um ihn herum das ganze Land verhungerte? Wie konnte er wie ein liebeskranker Jüngling ein Liedchen trällern, während wir jeden Tag die Toten beklagten? Denn daß es in dem Lied nicht um die Jagd auf irgendein Tier, sondern um ein Frauenzimmer ging, war mir nach den ersten Zeilen schon klargeworden! Ich wußte nicht, wer des Herzogs Liebe verschmäht hatte und welches Weib er so wehmütig in seinem Klagelied besang, doch war es in meinen Augen mehr als unmännlich und erst recht einem Herzog nicht würdig, sich so seinem Liebesleid hinzugeben. Nun brachten beide ihre Rösser auch noch direkt vor meinem Versteck zum Halten! Die Augen andächtig nach oben gerichtet, sang der Herzog unverdrossen weiter, als hinge sein ganzes Leben davon ab:
    »Kein edles Tier ich jagen kann, das
    muß ich oft entgelten,
    noch halt’ ich stets auf Jagens Bahn, wiewohl
    mir Glück kommt selten.
    Ein Hochgwild schon will mir entgehen,
    solaß ich mich begnügen,
    an Hasenfleisch, nit mehr ich heisch,
    das kann mich nit betrü…ü..gen.«
    »Herzog Ulrich, laßt das die Herzogin nicht hören, daß Ihr sie mit Hasenfleisch vergleicht! Hahaha!«
    »Ihr habt gut lachen, Hutten! Die einzige Lieb’, die ichbisher verspürt habe, soll mir genommen werden! Daß es dabei einem Mann schwer ums Herz wird, braucht doch niemanden zu wundern. Und was macht Ihr, statt mir in meinem Unglück hilfreich zur Seite zu stehen?«
    »Wie sollte ich Euch helfen, verehrter Herzog? Es waren Eure Berater, die eine Hochzeit zwischen mir und Ursula Thumb für dringend angeraten hielten! Wurde ich etwa gefragt, ob mir an ihr etwas liegt? Nein, ich habe lediglich den Wünschen anderer nachgegeben, denen Eure Liaison mit der Dame zu gefährlich geworden ist!«
    »Gefährlich, pah! Was geht es das Land an, mit wem ich des Nachts liege?«
    Vor lauter Angst, entdeckt zu werden, wagte ich kaum zu atmen. War mir doch noch allzugut in Erinnerung, was Heinrich, Gott hab’ ihn selig, widerfahren war, als er mit seiner Rätsche des Herzogs Roß erschreckt hatte. Hutten hatte sich

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