Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
die gewöhnlichen Burgstreuner, sondern kleine, ordentlich gekämmte Schoßhündchen, die den Damen gehörten.
Mitten im Raum waren einander gegenüber zwei lange Bänke aufgestellt, auf denen die Gäste saßen, die Frauen auf der einen, die Männer auf der anderen Seite, wie es Sitte war. Alle hörten einem edel gekleideten Herrn zu, in dem Ezzo den Hofmeister der Königin erkannte und der gerade eine komische Geschichte zum Besten gab. Ezzo schob sich unauffällig auf die Männerbank, worauf sofort ein riesiger Pokal zu ihm wanderte, der mit süßem Würzwein gefüllt war. Er trank und entspannte sich; sein Blick suchte die Königin, die schräg gegenüber in der Mitte der Frauenbank saß. Ihr Haar war zu einer komplizierten Frisur geflochten, die von einem Goldnetz gehalten wurde, und sie trug ein tief ausgeschnittenes, veilchenblaues Kleid, auf dem eine Unzahl an Perlen wie Sterne glänzte. Die trompetenförmigen Ärmel reichten bis zum Boden, wo unter dem Saum des hellen Unterkleids bestickte Seidenschuhe hervorlugten. In ihrem Schoß lag ein kleiner, rotsamtener Stoffball.
Jetzt klatschte Barbara in die Hände. »Ihr guten Herren, meine Hofdamen alle möchten gerne wissen, ob ihr wohl feinsinnig und züchtig in Liebesdingen sein könnt. Ein schöner Spruch, ein wahres Gedicht – zeigt, dass ihr es wert seid, von einem Weib geliebt zu werden. Und zeigt, dass ihr nicht nur kämpfen, sondern auch vom Schönsten auf der Welt sprechen könnt. Der Preis ist ein Kuss von der Dame Eurer Wahl. Nun denn!« Sie warf den Ball, und der junge Ritter von Eyb, einer aus des Burggrafen Gefolge, fing ihn. Er überlegte lange, dann deklamierte er:
»Es scheinen mir wohl tausend Jahr,
dass ich im Arm der Liebsten lag.
Ohn meine Schuld, s’ist wahr
ist sie nun fort schon manchen Tag.
Seitdem die Blumen ich nicht seh,
noch hör ich feiner Vögel Sang.
Mein Freud ist kurz,
dafür mein Jammer lang.«
Alle klatschten Beifall, und der junge Eyb verbeugte sich lächelnd. Dann warf er den Ball zurück zur Königin.
Der Nächste war Burggraf Friedrich von Nürnberg. Er dachte nicht lange nach, in solchen Spielen hatte er Übung.
»Wenn je ein Mensch zu einer Stund
von wahrer Minne wurd verwundt
der nimmermehre wird gesund –
er küsse denn denselben Mund
von deme er ist worden wund.«
Eine der Hofdamen warf dem Burggrafen eine Rose zu, die Männer klopften ihm auf die Schulter. Nun kam ein älterer Adeliger, den Ezzo nicht kannte. Er räusperte sich, dann rezitierte er:
»Ich lag im Winter einsam,
da tröstet mich ein Weib.
Ich sah mit Freuden kommen
Blumen und Sommerzeit.
Dann hat sie mich verlassen,
nun ist mein Herze wund.
Der Sommer kann’s nicht heilen,
s’ wird nimmermehr gesund.«
Alle seufzten, als er den Ball wieder zurückwarf. Und dann, ehe er sich’s versah, hielt Ezzo das runde Ding in der Hand. In diesem Augenblick dankte er Gott für seinen Lehrer aus Kinderzeiten, der ihn mit Reimen und Sprüchen zum Überfluss traktiert und in ihm die Liebe zur Dichtung geweckt hatte. Darum hatte er auch in manchen langen Nächten sehnsuchtsvolle Liebesgedichte geschrieben; eines davon hatte er für sich ausgewählt, während die anderen an der Reihe waren. Er nahm noch einen Schluck Wein, um sich Mut zu machen. Dann, in einem kurzen Augenblick des Überschwangs, sah er die Königin mit einem geradezu tolldreisten Blick an und begann:
»Viel süße, sanfte Töterin,
warum willst morden du mir meinen Leib?
Wo ich dich doch so herzlich minne,
dich höher schätz als jedes andre Weib!
Die Lieb zu dir hat mich dazu gezwungen
dass deine Seele meiner Seele Herrin ist.
Ach, hätt ich deinen Leib doch schon errungen,
Ach, hätt ich deine Lippen schon geküsst.«
Barbara neigte den Kopf; es wurde still im Raum. Ezzo spürte, wie seine Wangen glühend heiß wurden, und er wäre am liebsten im Erdboden versunken. Hätte er doch diesen Blick nicht gewagt! Und dann klatschte die Königin, erst langsam, dann schneller, und ihre Damen fielen mit ein, kleine Laute des Entzückens ausstoßend.
Weitere Gedichte wurden zum Besten gegeben, einer nach dem anderen kamen die männlichen Gäste an die Reihe. Die Damen steckten tuschelnd die Köpfe zusammen, bis sich Barbara von Cilli am Ende erhob.
»Ich spreche den Preis einem zukünftigen Ritter zu, der meinen Farben Ehre machen wird«, sagte sie, »auch wenn er achtgeben muss, dass sein Wagemut nicht zu weit geht.« Eine kleine Pause entstand. Die Königin lächelte.
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