Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
Darnach gibs einem Hundt zum Fraße, er stirbt daran. Der Mensch aber wirdt genesen.
Das hülft gegen allerley Krankheitten.
Wider die Gicht
Geh an drey Tagen bei Sonnen Unthergang zu eim Fliederbuschen, umfaß ihn und sprich: »Fliederbusch ich hab die Gichtt – nimstu sie mir, hab ich sie nicht.«
Darnach sind die Glieder ohne Schmertzen.
Oder aber mach ein Umschlagk auß Ziegen Mißt, Rosmarin und Honigk.
Bey Zahn Schmertz
Bindt dir einen Schneck in eim Tuch ans Gesicht und laß ihn dortten sterben. Er wirdt den Zahn Schmertz mit sich nehmen.
Oder tauch ein Tuch in ein Sudt auß gekochthem Ratten Dreck und Schlehen und Essigk. Steck’s so heiß du’s ertragen kannst in den Mundt. Es hülft.
Gegen die Krätz
Hier hülfet sehr gut, wenn du ein Knochen von eim Todten mit ins Bade nimmst
Ein anders Mittel ist, ein Maullwurf zu Pulfer zu verprennen. Vermisch das mit Eiweiss und schmiers auf die Krätz, sie vergehet.
So einer die Flechtten im Gesicht hat, soll ein frembdte Person hingehn und ihm unvermuthet ins Gesichte spucken. Darauf vergehet die Flechten.
Item so dich das Kopfweh plaget, brenn drey Kröthen in eim neuen Topff zu Pulfer. Dann reyb deinen Kopf tüchtig mit Enten Schmaltz ein, gib das Pulffer darauf, daß es gut bestäubet ist. Bind sodann eine Schweins Blasen umb den Schädel. Die wird nach zwei Tagen abgenomen und vergraben. Der Schmertz pleibet in der Blasen.
Wenn du das Ohren Saußen hast
Nimm 17 Stück Mäuße Koth und die gleiche Menge an Ohren Schmaltz. Das vermeng fein zu kleynen Kugeln, und tu dieselben bey Vollmondt in den Harn eines neu gebornen Kalbes. Darvon nimm eine Kugel ins Ohr, und drey Tagk darauff ist das Saußen vergangen.
Sara
Achte den Arzt mit gebührlicher Verehrung, dass du ihn habest zur Not. Denn der Herr hat ihn geschaffen, und die Arznei kommt von dem Höchsten, und auch Könige ehren ihn.«
Mit diesem Satz aus den alten Schriften begann meine Lehrzeit bei Onkel Jehuda, die ich so herbeigesehnt hatte. Jeden Abend und tagsüber jede freie Stunde nutzte er, um all sein Wissen vor mir auszubreiten. Zuallererst brachte er mir bei, woraus sich der menschliche Körper zusammensetzt: Er besteht aus vier Säften, nämlich Blut, Schleim, schwarze Galle und gelbe Galle. Das fanden der griechische Arzt Hippokrates und der römische Arzt Galen schon vor vielen Jahrhunderten heraus. Sind diese Säfte in der rechten Menge vorhanden und stehen untereinander in ausgewogenem Verhältnis, so erfreut sich der Mensch guter Gesundheit. Krankheit beruht demnach auf einer Fehlmischung oder einem Ungleichgewicht der Säfte oder darauf, dass ein Saft verdorben oder gar vergiftet ist.
Ich lernte auch, dass die Säfte unterschiedliche Qualitäten haben. Blut zum Beispiel ist warm und feucht, schwarze Galle kalt und trocken, Schleim ist kalt und feucht, gelbe Galle warm und trocken. Nach dem Prinzip des contraria contrariis können nun fast alle Krankheiten mit Mitteln geheilt werden, die das genaue Gegenteil ihrer eigenen Eigenschaften sind. Liegt also eine Krankheit der schwarzen Galle vor, so kann sie mit feucht-warmen Mitteln kuriert werden, eine des Schleims braucht eine warme und trockene Medizin.
Auch das Wesen des Menschen ist durch die vier Körpersäfte bestimmt. So überwiegt beim Sanguiniker das Blut, das ihn überreizt, aber auch heiter macht. Der Choleriker hat wegen der überwiegenden gelben Galle ein jähzorniges, heftiges Temperament. Der Phlegmatiker ist wie der Schleim langsam, zähflüssig und zögerlich, und beim Melancholiker bewirkt zu viel schwarze Galle ein trauriges Gemüt.
In diese Säftemischung des Körpers kann der Arzt eingreifen durch Aderlass, Fördern der Harnentleerung oder des Schwitzens, durch Purgation, Herbeiführen von Erbrechen oder Niesen. Dazu muss der Medicus natürlich genau wissen, welche Krankheit mit welchem Saft in Zusammenhang steht. Und er muss beachten: Was im Winter gut ist, kann im Sommer schaden, und was bei Alten hilft, kann bei Kindern schlecht sein. Ich lernte und lernte, und manchmal glaubte ich, nie fertig zu werden. So viele Kräuter und ihre Wirkungen, so viele Krankheiten!
Als Nächstes begann mein Onkel damit, mir beizubringen, wie man eine Krankheit überhaupt erkannte.
»Eine der wichtigsten und ältesten Diagnosemöglichkeiten ist die Harnschau«, erklärte er. »Denn man kann die einzelnen Säfte an ihrem Geschmack erkennen: Blut schmeckt süß, gelbe Galle bitter, schwarze Galle sauer und scharf und der Schleim
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