Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
warf einen Blick auf das rosa Satinetikett: »75C?« Sie sah Julia an. »Seit wann hast du C-Körbchen?«
Julia grinste beschämt. Sie legte die Hände unter ihre Brüste. »Seit letztem Jahr«, sagte sie. »Implantate. Die beiden ließen sich langsam ein bisschen hängen, da hab ich sie ein wenig aufmöbeln und vergrößern lassen.«
»Wirklich?« Dories Augen wurden groß wie Untertassen. »Ist mir gar nicht aufgefallen. Wie war das so?«
»Nichts Besonderes. Ich konnte zwei Wochen lang nicht arbeiten, bis die Schwellungen weg waren und die Drainagen entfernt wurden.«
»Drainagen?« Ellis verzog das Gesicht. »Das hört sich aber nicht witzig an.«
»Das soll auch nicht witzig sein«, sagte Julia. »Das ist Business, mehr nicht. Aber die Brust-OP war nicht halb so schlimm wie damals, als ich mir die Nase machen ließ. Das hat echt tierisch wehgetan. Ihr hättet mal den Bluterguss sehen müssen. Ich sah aus, als hätte ich beim Boxen mehrere Schläge abbekommen.«
»Julia!«, rief Ellis empört. »Ich hatte keine Ahnung, dass du dir die Nase hast machen lassen. Dabei kenne ich dich schon dein ganzes Leben.« Sie stand auf, stellte sich wenige Zentimeter vor Julias Gesicht und berührte vorsichtig deren Nase. »Man sieht nichts davon.«
»Das liegt daran, dass ich den besten Schönheitschirurgen hatte, den man für Geld bekommen kann«, entgegnete Julia.
»Was stimmte denn nicht mit deiner alten Nase?«, fragte Dorie. »Ich meine, so schlimm kann die ja nicht gewesen sein, schließlich modelst du schon, seit du neunzehn bist.«
»Die war zu italienisch«, sagte Julia. »Ein Capelli-Zinken. Und ich muss sagen, als mein Vater mich nach dem Eingriff zum ersten Mal sah und begriff, was ich getan hatte, war er total entsetzt. Es hat ihn wirklich verletzt. Ich hab ihm gesagt, das wäre reines Geschäft. In dieser Branche ist das eigene Aussehen das Kapital. Und das muss man immer auf Vordermann halten.«
Dorie setzte sich wieder aufs Bett und lehnte sich gegen einen Berg Kopfkissen. »Julia, du redest immer darüber, dass du zu alt wärst und deine Karriere vorbei. Aber ich begreife das nicht. Du siehst besser aus als je zuvor. Deine Haut ist super, dein Körper ist der Hammer. Dich will doch jeder buchen!«
Julia lächelte Dorie dankbar an. »Du bist süß, Eudora. Aber du weißt nicht, wie das in meiner Welt ist. Ich bin fünfunddreißig. Das Mädel auf dem Titelblatt der Elle in diesem Monat ist siebzehn. Sie trägt Größe dreißig. Und kommt mir nicht mit Heidi Klum. Denn die ist nicht die Norm. Ich war auch nie eine Heidi Klum. Ich bin Julia Capelli, die eine Menge Glück hatte, durch Europa gegondelt ist und Jobs für Editorials und auf dem Laufsteg hatte, und jetzt, na ja, wird das alles ein bisschen weniger. Für euch sehe ich gut aus, weil ihr mich gern habt, und ihr wisst es nicht besser. Das ist schon in Ordnung. Macht euch keine Sorgen um mich. Ich komme schon zurecht!«
Ellis hatte sich darauf konzentriert, die schwarzen Satinbänder des Korsetts über Kreuz zu schnüren. Sie hielt die Luft an und machte einen doppelten Knoten in das Band.
»Du hast doch viel mehr zu bieten als dein Aussehen, Julia. Du bist klug. Wirklich klug. Und komm mir nicht mit dem Blödsinn, dass du nie zum College gegangen bist. Ich rede nicht von Abschlüssen. Du bist total weltgewandt. Du warst schon überall, du kennst dich aus mit Kunst, Literatur und Musik. Du hast so viele Menschen kennengelernt! Guck mich an, ich habe einen Abschluss in Finanzwesen, aber habe fast fünfzehn Jahre eingesperrt in einer Bank verbracht – und was habe ich jetzt davon? Fünfzehn Jahre, vergeudet mit Erbsenzählern und Bürohengsten. Und jetzt hab ich nicht mal mehr einen Job!«
»Und was ist mit mir?«, schaltete sich Dorie ein. »Ich verbringe meine Zeit damit, Satzstrukturen in die Köpfe von vierzehnjährigen Mädchen zu pauken, denen das scheißegal ist. Versteht mich nicht falsch, ich liebe meinen Beruf, und ich liebe die Mädchen, aber ein Müllmann in Savannah verdient mehr Geld als ich.«
»Aber ihr beide habt wenigstens einen richtigen Beruf«, entgegnete Julia. »Ihr habt ein Blatt Papier, das euch bescheinigt, dass ihr schlau seid. Ich nicht. Ich sag euch mal was: Wenn das Geld nicht wäre, das wirklich sehr, sehr angenehm ist, wäre es mir schnurzegal, wenn ich nie wieder als Model gebucht würde. Das habe ich sogar letztens Booker gesagt. Ich bin so was von durch damit. Aber ich kann nichts anderes als
Weitere Kostenlose Bücher