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Die Sonate des Einhorns

Die Sonate des Einhorns

Titel: Die Sonate des Einhorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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Papas dann jedesmal mit unerbittlicher Ruhe … in dieser Frage weigerte er sich strikt, die Geduld mit ihr zu verlieren. »Weil du was Besonderes bist. Ich höre die Musik nicht so wie du … vielleicht habe ich sie einmal gehört, aber jetzt nicht mehr, deshalb kann ich sie auch nicht spielen. Weil es eine Sünde ist, wirklich, wenn du jemanden etwas aufschreiben läßt, was du selbst fühlst, was du hörst. Es wäre eine Sünde, du könntest die Gabe verlieren, etwas Besonderes zu sein, am Ende vielleicht gebrauchte Banjos verkaufen, so wie ich. Komm schon, paß auf, nennst du das etwa einen Taktstrich? Der schwankt wie ich, wenn ich aus Provotakis’ Laden komme. Und wie oft muß ich dir noch sagen, daß die kleinen Fahnen auf die rechte Seite gehören … halbe Note, Viertelnote, sechzehntel, ganz egal. Komm schon.«
    So lockte er sie, neckte sie, beschwatzte sie, trieb sie an, bis sie schließlich überrascht sah, wie Fireez sie durch die verschmierten Gitterstäbe der Notenlinien ansah, und das Gelächter der Bach-Jalla in ihren Fingern fühlte, wenn sie einen Hagel anmutig hüpfender Noten notierte. Ich könnte es hinbekommen, mein Shei’rah. Abuelita, ich könnte es richtig hinbekommen.
    Als sie wagte, John Papas davon zu erzählen, sah dieser sie lange an, bevor er etwas antwortete, und seine Stimme klang überraschend sanft: »Nein, es ist nie richtig, Josephine Angelina Rivera. In dieser Welt, in jener Welt, ganz egal. Man schafft es nie, die Leute das sehen zu lassen, was man sieht, was man hört, sie fühlen zu lassen, was man fühlt. Töne schaffen es nicht, Worte schaffen es nicht, Farben, Bronze, Marmor, nichts. Du kannst nur vielleicht etwas herankommen, etwas näher herankommen. Aber richtig, wie du sagst? Nein, nein.«
    Sie ging nach Shei’rah, wann immer sie wollte, ging oftmals drei, vier Tage hintereinander über die Grenze. Dann wieder, wenn sie sich ihrer zunehmenden Abhängigkeit von der Welt der Ältesten bewußt wurde und sich davor fürchtete, zwang sie sich eine ganze Woche lang, nicht hinzugehen. Die Grenze hatte sich offenbar an der Ecke Alomar und Valencia – einer dunklen, engen Straße, kaum mehr als eine Gasse – als irdischen Koordinaten eingerichtet, vorerst zumindest. Doch jedesmal, wenn Joey sie überschritt, betrat sie eine andere Stelle Shei’rahs, einen Wald oder eine Wiese, das Ufer eines Flusses oder eine steinige Berglandschaft, die sie noch nie gesehen hatte. Dennoch empfing Ko sie jedesmal – meist gemeinsam mit Touriq – und wiederholte dann: »Mein Bart wußte es, Tochter. Ich mußte nur meinem Bart folgen.« Daß der Satyr sie erwartete, blieb das einzige, worauf sie bauen konnte: Woodmont ging im Laufe der Zeit berechenbar vom Sommer in den Herbst über, doch Joey konnte ebenso aus südkalifornischem Strandwetter in kühlen Platzregen geraten wie auch aus brandgefährlichen Santa-AnaWinden in die klare, blaue Stille einer Frühlingsnacht Shei’rahs hinübertreten. Es lag keine Logik darin, kein Muster, das sie erkennen konnte. Gern fügte sich Joey in Dankbarkeit und Staunen.
    Sie begann, einen Zeichenblock und ein paar Stifte mitzunehmen, wann immer sie die Grenze überquerte, denn sie hatte sich entschlossen, Shei’rah so detailliert wie möglich zu kartieren. Ko und Touriq führten sie, wenn sie darum bat, unendlich geduldig und bereitwillig, wenn auch etwas amüsiert. Und es stellte sich heraus, daß die Bach-Jalla, die niemals ihr Flüßchen verließ, die Quelle und den Verlauf eines jeden Wasserlaufs im Lande kannte, so genau, als wäre sie in dessen Bett geboren. »Wir wissen es eben«, sagte sie, als Joey ihr Erstaunen äußerte. »Ihr wißt über diese Dinge Bescheid, von denen du erzählst – wie heißen die noch gleich? – Wahlen, Rollerblades? Wir Jallas kennen das Wasser. Ganz einfach.«
    Doch Shei’rah weigerte sich, erforscht zu werden, weigerte sich mit fast physischer Energie. Hügel schienen ihr Profil zu ändern, während Joey noch dabei war, sie auf ihrer Karte einzuzeichnen. Täler und Flußschluchten verschoben sich nicht nur unter ihrem Zeichenstift, sondern schienen meist bis zur Unkenntlichkeit verändert, wenn sie sich abwandte und dann versuchte, sie wiederzufinden. Sie konnte die Konturen der Landschaft nicht umfassen: Außer der Grenze gab es keine Grenzen. Darüber hinaus begann sie langsam zu verstehen, daß nur die flüchtige Musik seiner Lords in Einhorngestalt Shei’rah seine wahre Form gab, und ich bin die einzige, die

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