Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
inmitten seines leuchtenden Fackelrings auf höchst unziemliche Art hüpfte und bockte. Erst auf einer Kante oder Ecke, dann auf einer anderen, tanzte und pirouettierte er ohne Unterlass unter lautem Geschepper auf den Pflastersteinen.
Kaum war das wahrhaft Schreckliche dieser Situation in unsere benebelten Gehirne gesickert, da trat eine neue und noch grausigere Entwicklung ein. Wir sahen, dass der Kasten sich oben, seitlich und unten unheilvoll ausbeulte und im Nu jede Ähnlichkeit mit seiner ursprünglichen Form verlor. Seine Rechteckform schwoll an und wölbte sich und verlor sich auf fürchterliche Weise wie in einem immer neuen Albtraum, bis das Ding die Gestalt eines riesigen, länglichen Eies angenommen hatte.
Plötzlich ertönte ein höchst beängstigendes Geräusch, zugleich begann die Lötnaht des Deckels zu platzen – und dann brach das Ei gewaltsam auf. Durch den langen, gezackten Riss quoll in höllischem Gesiede eine dunkle, unablässig anschwellende Masse unerfindlicher Zusammensetzung. Brodelnd, als schäumte das Gift von einer Millionen Schlangen, spritzend wie gärender Wein und stellenweise große, rußig wirkende Blasen werfend, die mittleren Meeresquallen ähnelten, wälzte die Masse mehrere Fackeln nieder und überflutete die Steinplatten des Hofes. Wir alle sprangen in irrer Furcht und Verwirrung zurück, um nicht mit ihr in Berührung zu kommen.
Gegen die rückwärtige Mauer des Hofes gekauert, während die niedergewälzten Fackeln hektisch flackerten und qualmten, beobachteten wir das verblüffende Verhalten der Substanz. Sie hatte innegehalten, als wollte sie sich sammeln – und fiel nun in sich zusammen wie ein dämonischer Teig: Sie schrumpfte, verdichtete sich, bis ihre Ausdehnung kurz darauf wieder der des eingesargten Kopfes zu entsprechen begann, wenn sie auch jeder echten Ähnlichkeit mit seiner ursprünglichen Form ermangelte. Sie wurde zu einer runden, schwärzlichen Kugel, auf deren pulsierender Oberfläche immer deutlicher die Linien eines deformierten Gesichtes sichtbar wurden, flach wie die Striche einer Zeichnung. Mitten auf der Kugel starrte ein lidloses, gelbbraun phosphoreszierendes Auge ohne Pupille. Es hielt den Blick auf uns gerichtet, während das Gebilde um einen Entschluss zu ringen schien. Über eine Minute lang lag es reglos da … doch auf einmal schnellte es wie vom Katapult geschossen an uns vorbei auf das offen stehende Hoftor zu und von da auf die mitternächtlichen Straßen hinaus, wo es unseren Blicken entschwand.
Trotz unseres Grauens und unserer Verstörung bemerkten wir, welche grobe Richtung das Ding eingeschlagen hatte. Wie sehr steigerte es unseren Schrecken und unsere Bestürzung, dass dort jener Teil Commorioms lag, wo der Rumpf von Knygathin Zhaum begraben war!
Wir wagten nicht, Mutmaßungen darüber anzustellen, was all dies zu bedeuten hatte oder wohin es führen mochte. Doch obwohl wir gegen millionenfache Ängste und Befürchtungen anzukämpfen hatten, griffen wir nach unseren Waffen und folgten jenem unheiligen Haupt so schnellen und zielstrebigen Schrittes, wie es das genossene Quantum an Foum -Wein erlaubte.
Außer uns war um diese Stunde, wo selbst die zügellosesten Zecher entweder nach Hause getaumelt waren oder vom Trunk besiegt unterm Kneipentisch lagen, kein Mensch unterwegs. Die Straßen waren dunkel und muteten trostlos an, und die Sterne am Firmament schienen teilweise ausgelöscht wie von dem aufziehenden Brodem eines miasmatischen Pesthauchs. Wir eilten über die Hauptstraße voran, und das Pflaster warf das Geräusch unserer Schritte in der Stille dumpf hallend zurück, so als wäre das massive Gestein unter den Straßen während unserer unheimlichen Nachtwache von Leichengrüften ausgehöhlt worden.
Wo auch immer wir entlangmarschierten, wir entdeckten keinerlei Anzeichen jenes unsagbar widerlichen und fluchwürdigen Wesens, das dem aufgebrochenen Sarkophag entschlüpft war. Und zu unserer Erleichterung und entgegen unserer Befürchtung, erblickten wir auch nichts von verwandter oder ähnlicher Art, obwohl dergleichen, falls unsere Vermutungen zutrafen, durchaus unter freiem Himmel umherstreifen mochte.
Stattdessen stießen wir in der Nähe des städtischen Hinrichtungsplatzes mit einem Trupp Soldaten zusammen, die Stoßäxte und Dreizacke und Fackeln trugen und die sich als jene Wächter entpuppten, die ich abends zuvor über dem Ruheflecken von Knygtahin Zhaums Rumpf postiert hatte. Diese Männer befanden sich in einem
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