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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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aufgerichtetem Glied, drehte sich erschrocken um. Er wurde bleich, als er seine werte Gattin erblickte, die er seit zwei Monaten oder länger nicht mehr besucht hatte. Sie hatte den Schleier zurückgeschlagen und ging auf ihn und Tita Recasens zu, die in diesem Augenblick, noch immer verwirrt, die Beine schloß. Santiago Vilabrú bedeckte sein schrumpfendes Geschlecht mit beiden Händen, während Tita fluchtbereit aus dem Bett sprang.
    »Bleib, wo du bist«, befahl Elisenda.
    Das heimliche Paar war so überrascht, daß es keinerlei Widerstand leistete.Tita blieb, wo sie war, und Santiago stand da, wurde abwechselnd rot und blaß und wünschte sich meilenweit weg.
    »Du wirst mir jetzt ein paar Papiere unterzeichnen«, sagte Elisenda.
    »Was ist los? Was willst du?«
    »Senyor Carretero«, sie zeigte auf den Dicken, »wird den Vorgang notariell beglaubigen.«
    »Du willst mich erpressen.«
    »Ich weiß noch nicht.« Sie wandte sich an Tita Recasens: »Mein Mann kommt zweimal pro Woche hierher. Einmal mit dir und einmal mit einer Prostituierten.« Sie lächelte freundlich: »Paß auf, daß er dir nichts angehängt hat, er mag die Erfahrenen.«
    »Du bist eine …«
    »Ja. Soll ich dir sagen, was du bist?«
    »Einen Moment, ich will mich anziehen.«
    »Nein. Du bleibst hier und hältst schön still.«
    »Kommt überhaupt nicht in Frage.«
    »Wie du willst. Ist dein Make-up noch in Ordnung, meine Liebe?« Sie wandte sich an Gasull: »Ruf die Fotografen herein.«
    Die Fotografen wurden nicht gerufen, Tita Recasens wurde ins Badezimmer geschickt, und Senyor Santiago Vilabrú Cabestany unterzeichnete die Papiere, wie Gott ihn geschaffen hatte. Der erste Punkt der Abmachung betraf die Adoption einen Jungen namens Marcel, Eltern unbekannt, durch das Ehepaar Vilabrú.
    »Wo kommt das Kind her?«
    »Das geht dich nichts an.«
    »Was ist das für eine Geschichte?«
    »Unterschreib hier und halt den Mund.«
    Gasull reichte ihm den Füllfederhalter, und Santiago Vilabrú mußte das Liebes- und Lustlager als Unterlage benutzen, um ein Papier zu unterschreiben, in dem er seinen ausdrücklichen Wunsch bekundete, dieses Kind zu adoptieren.
    »Was tust du mir an?«
    »Das, was du mir angetan hast, seit wir zurückgekehrt sind. Sogar vorher schon.«
    Das zweite Papier erklärte Senyora Elisenda VilabrúRamis (von den Vilabrús aus Torena und den Ramis von Pilar Ramis aus Tírvia, dem Flittchen, besser, wir reden nicht davon aus Rücksicht auf den armen Anselm) zur Alleinerbin des Vermögens von Senyor Santiago Vilabrú, geschätzt auf fünf Mietshäuser in Barcelona, ausgedehnte Ländereien im Vall d’Àssua und an anderen Orten des Regierungsbezirks, dazu ein beeindruckendes Barvermögen, das allerdings langsam dahinschmolz, weil Senyor Santiago Vilabrú Cabestany sich für ein bequemes Dasein als Privatier entschieden hatte. Unterzeichnet im Nidito am 20. November 1944.
    Gasull nahm ihm den Füllfederhalter weg, als fürchtete er, er könne ihn irgendwo verstecken.
    »Besser, du läßt dich nicht mehr in Torena blicken«, sagte Senyora Elisenda. »Wenn es doch mal sein muß, sag mir vorher Bescheid.«
    »Ich habe das Recht zu kommen, wann ich will.« Er versuchte zu scherzen: »Um meinen Sohn zu sehen, oder?«
    »Ich habe mir eine Wohnung in Barcelona gekauft. Du kannst die Wohnung in Sarrià behalten. Sieh zu, daß du dich nie blicken läßt. Auch nicht, um meinen Sohn zu sehen.«
    »Sie erhalten noch eine Kopie der notariellen Beglaubigung«, informierte ihn Notar Carretero lustlos.
    »Die werde ich ins Feuer werfen.«
    »Tun Sie das ruhig.« Er sah ihn an, lächelte zum erstenmal und schüttelte den Kopf: »Dann werden Sie sich besser fühlen.« Er wandte sich an Elisenda: »Ich bin fertig, Senyora.«
    »Ihr könnt weitermachen«, sagte Elisenda liebenswürdig. »Soll ich dich daran erinnern, wo ihr stehengeblieben wart?«

40
    Der Himmel war so dicht mit Sternen übersät, daß sie im Sternenlicht ihren Weg fanden. Noch nie hatte er die Sterne so klar und deutlich gesehen. Der Regenschauer am Nachmittag hatte die Luft von Staub gereinigt. Er blickte in den Himmel und dachte, wie gerne würde ich dieses Wunder als glücklicher Mensch betrachten können. Schon zu lange war er von Jammer erfüllt, und nun dauerte es ihn sogar um dieses ergreifende Naturschauspiel, weil er es weder mit Elisenda teilen konnte, die ihn schlafend in der Schule wähnte, noch mit Rosa, die nicht weiß, daß ich kein solcher Feigling bin, noch mit meiner

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