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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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sollst es nur zur Kenntnis nehmen. Wenn du willst, kannst du das gleiche machen.«
    Es war eine Anzeige von Senyor Valentí Targa, Bürgermeister und Ortschef des Movimiento, gegen Manel Carmaniu, Einwohner von Torena, Regimegegner, Bruder der Ventura, Schwager von Leutnant Marcó, die diesen vom Eigentümer zum Exeigentümer eines drei Hektar großen Stück Landes machte, das damit in den Besitz von Senyora Elisenda Vilabrú Ramis von Casa Gravat überging, zugleich Eigentümerin der angrenzenden Ländereien. Ein zweites Dokument bestätigte den Tausch dieser drei Hektar Weideland sowie mehrerer umliegender Weiden gegen ein ausgedehntes Grundstückvon geringem landwirtschaftlichem Nutzwert bei Tuca,Tuca Negra genannt, Eigentum von Jacint Gavarró von den Batallas, der sich darüber hinaus verpflichtete, die Tauschpartnerin in bar für den offenkundigen Wertunterschied zwischen den getauschten Ländereien zu entschädigen.
    »Ich verstehe, ehrlich gesagt, nicht, warum du das tust. Und ich verstehe nicht, wie Senyora …«
    »Ich habe dir das nicht gezeigt, damit du solche Fragen stellst. Wenn du willst … Nun ja …« Valentí stand auf und schloß die Tür zu seinem Büro. Er setzte sich wieder und fuhr leiser fort: »Wenn du die Lage nutzen willst – ich kann dich reich machen.«
    »Wie?«
    »Wenn du ein Stück Land willst, zeigst du seinen Besitzer an. Den Rest erledige ich. Gegen eine ordentliche Kommission.«
    Oriol stand der Mund offen, dann verbarg er seine Verwirrung hinter einem Lächeln. »Ich will kein Land.«
    »Du willst kein Land, du willst keine Kommissionen, du willst keine Geschenke …«
    Unwillkürlich sah Targa zur Tür hinüber, wie um sich zu vergewissern, daß sie noch geschlossen war.
    »Du zwingst mich, dir zu mißtrauen.« Er legte das Papier vor ihn auf den Tisch. »Das ist ganz einfach.«
    »Warum stört es dich, daß ich kein Interesse daran habe, mich zu bereichern?«
    »Es stört mich nicht, es macht mich wütend. Und es macht mich mißtrauisch dir gegenüber.«
    »Warum?«
    »Weil die Reinen immer gefährlich sind.«
    »Ich bin nicht rein.«
    »Dann mach’s so wie alle, verdammt noch mal!« Er schlug sich mit der Faust vor die Stirn. »Jeder, der nur einen Funken Verstand hat, greift zu. Für die Opfer, die wir gebracht haben.«
    »Das ist kein Muß.«
    »O doch, das ist es. Warum verzichtest du auf etwas, was dir zusteht? Es ist Kriegsbeute.«
    »Ich …«
    »Weiß der Teufel, was du hinter meinem Rücken treibst. Weiß der Teufel …« Das klang drohend.
    »Entschuldige, aber ich …«
    »Wenn ich es rausfinde und es mir nicht gefällt, mache ich dir die Hölle heiß.«
    Das beweist definitiv, daß er nichts weiß. Er weiß nicht, daß ich ihm eines Tages eine verrostete Pistole in den Nacken gesetzt habe, und er weiß nicht, daß ich mein Herz an die Frau verloren habe, von der er nicht will, daß jemand sie anrührt. Oder vielleicht hat sie ihr Herz an mich verloren. Er weiß nichts von dem nächtlichen Treiben in der Schule. Er weiß gar nichts.
    Er wartete, bis Targa sich eine neue Zigarette gedreht hatte. Beim ersten Zug lehnte Targa sich in seinem Stuhl zurück und sah ihn an. Dann schleuderte er ihm entgegen: »Eliot.«
    Stille. Das war’s. Es war so schön, zu hoffen, aber jetzt ist es vorbei: Folter, Geständnis und Tod. Ich bin kein Held. Und ich schäme mich, nicht zum Märtyrer geschaffen zu sein und alle Namen auszuplaudern wie der arme Bauer aus Montardit. Vorsichtshalber zog er eine gleichgültige Miene und fragte: »Was ist mit Eliot?«
    Um sein Unbehagen noch zu verstärken, schwieg Valentí gedankenverloren. Woran denkt er? Er verhöhnt mich. Er weiß alles über mich.
    »Was ist mit Eliot?« beharrte er.
    »Wir wissen immer noch nicht, wer er ist. Die vom militärischen Geheimdienst wissen nicht, wer er ist. Sie sagen, es ist jemand, der ganz unauffällig lebt.«
    »Wie du und ich?«
    »Wie du und ich, ja. Übrigens: Zwei Obersten würden sich gern von dir porträtieren lassen.« Er hob den Finger. »Ich werde den Preis festlegen. Allerdings müßtest du nach Pobla fahren, um sie zu malen.«
    »Darüber reden wir später, in Ordnung?«
    Oriol ging zur Tür. Dort angekommen, wandte er sich mit ernster Miene um: »Ist es denn so wichtig zu wissen, wer er ist?«
    »Wer wer ist?«
    »Eliot.«
    »Wenn wir nicht wissen, wer er ist, können wir ihn nicht erschießen.«
    Oriol lächelte, als wären sie beide intelligente Wesen.
    »Jetzt mal im Ernst«, sagte er und

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