Die Strudlhofstiege
Tennisplatze: diese aber wurde jetzt denn doch von negerhaftem Staunen erfüllt, trotz all' ihrer Kenntnis von Etelkas Möglichkeiten. Asta und Fraunholzer begrüßten einander herzlich. Was diesen betraf, so schien er vollends unerschütterlich. Nachdem er den ganzen Tisch mit gefüllten Kelchen reihum besetzt hatte, ließ er auch die Musik mit Wein bewirten. Asta schaute in die Maske der Angelika, welche ausgerechnet ihr gegenüber saß, und vermeinte durch Augenblicke sich in einem Tollhaus oder in einem Traume zu befinden: während man jetzt schon Fraunholzern tanzen sah und zwar mit der weiter nichts besagenden Ehefrau am Tische, die er zu solchem Zwecke hernahm. Alsbald tanzte Karl wieder mit Etelka, oder eigentlich umgekehrt. Der Lärm stieg an, nicht nur hier am Tische; es schien das Puffen der Champagnerkorke den ganzen Saal stimuliert zu haben. Asta und Melzer blieben sitzen. Sie verharrten dem sich entwickelnden Tohuwabohu gegenüber ratlos und im tiefsten Grunde überzeugt, daß dabei Gutes nicht herauskommen konnte. Schon sah man den Feschak Negria mit Etelka sich wiegen, und nicht zuletzt hieher gehörig war es, einen Foxtrott FraunholzerScheichsbeutel zu bewundern: sie war seiner Aufforderung sogleich nachgekommen, offenbar weil sie erfahren hatte, daß dieser Herr ein Generalkonsul sei. Negria erfuhr von der beschwipsten Etelka, mit welcher er sich, immer tanzend, eifrigst unterhielt, vielleicht noch weitere Personalien. Die fünf Flaschen versanken wie in Sand, jedoch kamen neue. Am Tische erschienen jetzt auch Unbekannte, von denen Melzer nicht wußte, ob sie für irgend jemanden in der Runde Bekannte seien. Von den Einheimischen, die nunmehr bereits hier zwischen die Rollwände eindrangen, war's etwa noch anzuneh men, von einem jungen Ehepaare – die Frau in einem roten Sommerkleid, die Haare gelb wie ein Trompetenstoß – keinesfalls. Der Generalkonsul war übrigens verschwunden. Die Lage wurde stehend, der Wirbel konstant, Asta fürchterlich müde. Als man aufbrach – der Saal war zum Teile schon geleert – geleitete Melzer die beiden Damen über die Dorfstraße aufwärts, bei dünnem Monde und rechter Hand rauschendem Wasser, bis zum Beginn des Stangeler'schen Grundstückes. Im Weggehen hatte Etelka nicht nach Fraunholzer gefragt; und hier auf dem Wege sprach man fast nichts.
Der Major sollte Asta um zehn Uhr beim Postamte treffen, das nach wie vor ein Zentral-Knoten hiesigen Lebens geblieben war.
Melzer erwachte an diesem Morgen nach allem verhältnismäßig zeitlich und bestellte ein Bad.
Im heißen Wasser liegend fühlte er das Gestrige wie einen kleinen Hügel bunter, unentwirrbarer Schnitzel gleichsam auf sich gehäuft, auf den eigenen braunen Körper (braun von manchen Bade-Ausflügen nach Kritzendorf und zuletzt nach Greifenstein!), gerade dort, wo sich der Raum zwischen Magengrube und Lendenrillen als flacher Schild dieser leichten und doch erstaunlichen Last bot (ein Grieche hätte gesagt, er besänne sich tief in seinem Zwerchfell). Dieser Ausflug hierher, als Ausweg vermeint, zeigte sich jetzt als Eingehen in nur andere Komplikationen. Gleichzeitig fühlte er Neugier. Asta hatte Fraunholzer bald nach der Begrüßung gebeten, das Mittagessen doch morgen auf der Villa zu nehmen, ihr Vater würde sich darüber freuen. So stand denn ein längeres und ruhigeres Beisammensein mit dem Generalkonsul und Etelka bevor. Jetzt erst fiel es Melzern ein, daß jener ja im gleichen Haus hier wohne. Er würde wohl noch schlafen. Es war kaum acht Uhr morgens.
Melzer frühstückte im Garten. Die Luft frisch, die Sonne dünn, alle Geräusche, das Geklapper des Geschirrs und die Schritte auf dem Kies, klar und vereinzelt, wie von großen Vorräten der Stille noch umgeben, welche in den Wäldern rings um das Tal mächtig gesammelt schien. Dann und wann schlugen draußen, hinter dem lebenden Zaun, um die enge Kurve fahrende Automobile jeweils ein brausendes Loch hinein. In die wiederhergestellte Lautlosigkeit klang einmal, präzise und gleichzeitig einsetzend, der kurze Gänse-Chorus vom Bach.
Der Major trank den Kaffee aus und verließ mit einer Zigarette im Mund den Wirtsgarten. Die Ortschaft hier herunten war ihm so gut wie unbekannt. Neunzehnhundertelf hatte sich sein Aufenthalt ganz auf der Villa abgespielt, von wo aus man Spaziergänge nur nach aufwärts im Gebirge zu unternehmen pflegte, in die einsameren Gegenden und Wälder. In's Dorf zu gehen, unterhalb des Wirtshauses bei der Mühle,
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