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Die Strudlhofstiege

Die Strudlhofstiege

Titel: Die Strudlhofstiege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heimito von Doderer
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Rosa Zihals clandestine Obstkörbe aus St. Valentin, von denen um die Mitte des August zwei nach Wien abgegangen waren (und in dieser Sache, wenn schon sonst in allem und jedem, hatte die Frau Amtsrat ihre Nichte Thea keineswegs bemüht, so daß diese davon überhaupt nichts bemerkte – auch sonst war niemand in Anspruch genommen worden; die zwei Körbe, aber eben nur zwei für den gesetzten Zweck geeignete, fand Frau Rosa in aller Stille auf des Hauses Dachboden). Von den clandestinen Obstkörben ging der eine an die Familie Loiskandl ab, zugleich mit der Bitte, der Schwester und Trafikantin ein bestimmtes Quantum davon zukommen zu lassen (und eben dies hatte dann Hedi überbringen müssen). Der zweite Korb aber, auch nicht klein, war in die Alserbachstraße geschickt worden, zu der ja weit weniger zahlreichen Familie Rokitzer (damals eigentlich nur aus den Eltern bestehend!), jedoch ohne Hinzufügung eines Ersuchens, den Schachls davon was abzugeben, so nah es gewesen wäre. Offenbar hielt sich Frau Zihal durch die vier Obstbäume im Gärtchen (zwischen denen Paulas Strecksessel stand) und die kurze Reihe von Stachelbeerbüschen entschuldigt. Und sie vermeinte dies vielleicht wirklich und nicht nur an der inneren Oberfläche. Nun, rein formell und von außen gesehen, hätten ihr eigentlich die Leute aus dem Schachl-Häuschen, wo ihr Gatte einst gewohnt, und wo sie in regelmäßigen Abständen mit ihm zu Gaste war, näher stehen müssen als Paulas Mutter, Stiefvater und Stiefgeschwister. Aber in einem sehr allgemeinen, sozusagen epochalen Sinne, gehörte sie mit diesen doch weit eher zusammen. Die Schwestern freilich konnten in keiner Weise übergangen werden, auch die Frau Rokitzer nicht, welche der Amtsrätin allmählich recht entfremdet worden war. Darüber hinaus aber, jenseits der inappellablen familiären Umstände, entschied in Rosa Zihal-Oplatek ebenso inappellabel die Zeit, der sie angehörte, und das war eine andere als jene, welche zu Liechtenthal auch noch durch die jungen Leute floß, den Werkmeister und seine Frau. Freilich nicht auf der Ebene, auf der die Uhren schlagen. Diese gingen bei Pichlers und Zihals gleich.
    Der Regie-Fehler Paulas aber bestand darin, daß sie der Thea Rokitzer von den informativen Vortastungen der Loiskandl nichts erzählt hatte, so daß deren Auftreten überraschend erfolgen konnte. Allerdings nur für Thea, nicht für die Eltern. Bei diesen war Hedi schon gewesen; und sie billigten deren Absicht, zunächst einmal bei der Tochter ganz freundschaftlich und vertraulich – junge Mädchen unter sich, könnte man wohl auch sagen – ein Thema zu berühren, das bei Herrn und Frau Rokitzer, seit es von Hedi Loiskandl in Umlauf gesetzt wurde, nicht so sehr den Amts-Stempel der österreichischen Tabak-Regie, als vielmehr den Namen des Barons Eulenfeld trug. Dieser wurde jetzt zum Schlüssel, mit dem man alle unbegreiflichen Veränderungen an Thea während der letzten Zeit vor ihrer Abreise nach St. Valentin erklärend aufsperrte. Die Eltern aber blieben zunächst nach der Rückkehr der Tochter verschwiegen, wie es mit der Loiskandl vereinbart worden war. Und diese ließ wahrlich nicht lange auf sich warten. Den Tag von Theas Rückkehr hatte sie ebensowohl von deren Eltern wie von Paula Pichler erfahren können. Und in noch einem Punkte übten Herr und Frau Rokitzer Diskretion ihrem Kinde gegenüber: nämlich was den Obstkorb aus St. Valentin betraf. Es war ein darauf bezüglicher Wink der Frau Amtsrat ergangen, welcher die zwischen Paula Pichler und Thea bestehende Freundschaft freilich bekannt war. Übrigens hatten die Früchte des St. Valentiner Zihaloids inzwischen längst den Weg in die Einsiede-Gläser gefunden.
    Paula muß man wohl wegen ihrer kleinen Unterlassung entschuldigen. Das Gezwitscher der Ankunft, die Gegenwart Lintschis und Renés, nicht zuletzt auch das am Bahnsteige aufgetauchte Phänomen der gedoppelten Damen, dies alles ließ, bei vielerlei gekreuztem Reden, Wesentlicheres ungesagt bleiben: und so hatte man sich getrennt und dabei noch für den Montag-Nachmittag verabredet; denn freilich, der SamstagNachmittag und der Sonntag mußten dem Rittmeister vorbehalten bleiben – obwohl Paula allzu gerne recht bald Genaueres über Theas Vorstellung erfahren wollte; Eulenfeld aber hatte es dann am Samstag keineswegs eilig gehabt, Thea Rokitzer zu sehen, und dies unter irgendeinem Vorwande auf den Abend verschoben; sie berichtete ihm bei zwei Telephongesprächen, am

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