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Die Strudlhofstiege

Die Strudlhofstiege

Titel: Die Strudlhofstiege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heimito von Doderer
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zerstritten.
    »Du bist ein Viech mit Haxen«, so lautete zum Beispiel das Gutachten der schönen Dolly Storch (sie war heute abend auch anwesend) über den Fall.
    Leucht sah den Rittmeister, nachdem dieser sein ärgerliches Malheur räuspernd und mit den bei ihm in Übung stehenden Verzierungen berichtet hatte, nur mehr lachend und kopfschüttelnd an, als einen Kuriosen und Inkurablen.
    »Du lachst«, meinte Dolly, »aber an der armen Editha geht es auch aus.«
    Dies verstand zunächst niemand, jedoch allzubald wurde es als unabweisbar erkannt. »Ich seh' sie doch jeden Sonntag miteinander!« rief Dolly (sie meinte die beiden HausmeisterFamilien, nämlich die aus dem Hause, wo Editha Schlinger wohnte und jene hier im Hause). »Wieso, weiß ich eigentlich nicht; aber die gehören zu den Leuten, die mir in einem fort begegnen; entweder am Samstag nachmittag oder am Sonntag. Entweder die Frau Wöss – so heißt doch deine, Otto – mit der anderen, der deinigen, Editha, wie heißt die –?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte die Schlinger betroffen.
    »Was, du weißt nicht, wie deine Hausmeisterin heißt?!«
    Editha schwieg und blickte so ernst auf Dolly wie eine Schülerin auf den Lehrer, dem sie die Antwort hat schuldig bleiben müssen. Vom Diwan, darauf vorne Editha und der Rittmeister saßen, während hinter ihnen ein junger Mann aus dem Freundeskreise der Storch halb ausgestreckt lag (es war jener Literat, der im Frühjahr bei der ›Teresa‹ zu Neapel der Grete Siebenschein das Cape um die Schultern gelegt hatte), kamen nur zwei Worte: »Nil admirari.«
    »Das könnte man bei euch lernen«, meinte Dolly. »Also kurz und gut, eure Hausmeisterischen stehen miteinander in Verbindung. Den Herrn Wöss hab' ich neulich mit der Editha ihrem –« »Hawelka«, warf Eulenfeld ein und betonte den Namen auf der zweiten Silbe, was unverzüglich ein schallendes Gelächter auslöste. »Sagst Du auch: Swobóda oder Jerzábek?!« rief Leucht. »Das erstere zumindest wäre richtig«, entgegnete der Rittmeister mit unerschütterlicher Ruhe. »Denn im Slavischen wird dieses Wort, das so viel wie frei bedeutet, als Paroxytonon ausgesprochen.«
    Den letzten Ausdruck verstand hier niemand, außer dem Literaten am Diwan. Der Schulsack eines alten Husaren hing für hiesige Verhältnisse zu hoch. Dolly kam wieder zu Worte. »Den Wöss also und den Hawelka hab' ich neulich am selben Kartentisch gesehen, in dem Caféhaus auf derselben Seite vom Bahnhof, wo ich wohne, nicht im ›Café Brioni‹. Ich bin vorbeigegangen, und sie sind nahe beim Fenster gesessen.« »Jetzt wird mir allerdings einiges erklärlich«, rief Editha plötzlich. »Die Hausbesorgerin hat es in den letzten Tagen wirklich auf mich abgesehen. Gestern schraubte sie mir gar die Birne von der Treppenbeleuchtung aus, weil gegenüber ein Büro ist, wo abends niemand kommt oder geht. ›Die Birne wird gebraucht und die Hausfrau gibt keine her‹. Heute hab' ich ihr eine neue Birne überreicht und dabei sehr freundlich gebeten, sie anbringen zu wollen. Gesagt hat sie dabei gar nichts, weder ja noch nein.«
    »Da hat man's«, sagte Leucht. »Aber das ist nur der Anfang. Es läßt einmal jemand abends das Haustor unversperrt, und gleich sind Sie es gewesen. Und so weiter. Fangen Sie den Anfang ab, gnädige Frau, mit einem saftigen Trinkgeld bei passender Gelegenheit, nur nicht zu auffallend. Im übrigen scheint mir, daß Sie sich in der Angelegenheit mit der Stiegenbeleuchtung hausmeistertechnisch sehr richtig verhalten haben.« Der Rittmeister knurrte, dann gab er ein lautes Grunzen von sich, das mißbilligend klang, und danach warf er das Monokel in's Auge. Der Fall mit der unversperrt gelassenen Haustüre war sein Fall geworden. Und mit einem Fall im Zusammenhang, einem wirklichen, auf der Stiege, dem ein sozusagen moralischer nur vorangegangen war. Aber der Rittmeister hatte es dabei – der Vorfall, bei dem Eulenfeld übrigens glücklicherweise nach vorne gefallen oder gestolpert war, hatte sich am verwichenen Montag ereignet, nachdem man mit Melzer und Stangeler abends bei Editha gewesen – der Rittmeister hatte es dabei nicht verabsäumt, auf der Treppe umzukehren, wenn auch fluchend, und das offengelassene Haustor sorgfältig zu versperren. Er war gleichsam wachgerüttelt worden. Die Hausmeisterin auch, durch den Lärm und Eulenfeld's unwirsche und laute Selbstgespräche. Als sie am nächsten Morgen um sechse das Tor offen gefunden hatte, wurde eine polemische

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