Die Strudlhofstiege
später in der Republik frühzeitig in Pension gegangen, schon als Sektionsrat; man sagte, weil er in den Besitz eines bedeutenden Vermögens gelangt war, das in England gelegen hatte und während des Krieges 1914 dort freilich sequestriert wurde. Aber etwa 1927 hat die königlich britische Regierung solche Werte wieder freigegeben – und sie waren gut erhalten geblieben durch ihre zwangsläufige Verwandlung in englische Kriegsanleihe! Geyrenhoff, den die Kriegsfolgen seines sonstigen Erbes weitgehend beraubten, hatte in diesem Punkte dem englischen Staate einiges zu danken … Nach seiner Pensionierung hat sich nun dieser Herr von Geyrenhoff einer seltsamen Beschäftigung zugewandt: er legte eine Art Chronik an, durch viele Jahre, die er übrigens nicht nur allein verfaßte; der Schriftsteller Kajetan von S. und ein ganzer Kreis von Menschen sollen da mitgewirkt haben (das ist jener Kajetan von S. gewesen, welcher später einmal die gleich am Eingang unserer Erzählung zitierte ungezogene Bemerkung über Frau Mary K. und den Doktor Negria gemacht hat oder nur gemacht hätte …). Wo Geyrenhoff mit seiner Chronik oder Sammlung oder was es schon war, eigentlich hinauswollte, ist hier nicht zu untersuchen. Kajetan von S. für sein Teil hat die Sache nach vielen Jahren auszunützen verstanden, wie sich dann gezeigt hat. Durch ihn konnte einmal der Verfasser dieser Seiten in den mächtigen sauber geschriebenen Band Einblick und sogar an einer Stelle davon Abschrift nehmen. Das Konvolut enthielt ganz Verschiedenartiges – unter anderem die genaue Vorgeschichte des Zusammenbruches der sogenannten ›Österreichischen Holzbank‹ im Jahre 1926, eine Folge der Francs-Spekulation – es enthielt ausführliche Nachrichten über eine Anzahl von Personen und darunter auch mehreres, ja sogar vieles über René von Stangeler. Sogar die Begegnung am Teich im August des Jahres 1911 war hier beschrieben:
»Wir spielten Tennis, an einem Sonntag-Morgen im August; das Tal, in welches man hinabsah – der Tennisplatz lag hoch über dem Hause – war glänzend ausgelegt von Sonne, der Himmel neu und blau und der eines angefangenen, noch unbefleckten Tages; hier in der Höhe blitzte die Feuchtigkeit des Taus auf manchem Blatt, und unter uns lag das breite Dach des Hauses, dessen einer Schornstein eine reinblaue Rauchfahne im leisen Luftzug abstreichen ließ wie eine festliche Flagge, der kommenden mittäglichen Tafelfreuden wegen aufgezogen. Hier, vom Platze, klang mit den kleinen Unterbrechungen, welche das Spiel mit sich brachte, das gespannte und zugleich rundvoll-weiche Paff-Paff der Schläger und Bälle, ein Ton, der frischen und doch schon sehr warmen Luft ver wandt und zugleich ihre Weiträumigkeit mit dem jedesmaligen Widerhall noch schmeckbarer machend. Etelka Stangeler hatte zusammen mit Grete Hartknoch gegen einen Herrn von Grabmayr und Editha Pastré-Meriot gespielt und Grabmayr, von unerschöpflicher Kraft und Zähigkeit, war nach einer nicht allzulangen Pause schon Semski gegenüber getreten: damit also hatte das spannendste Spiel des Vormittages begonnen, denn Semski galt bisher in unserem Kreise als der unbestrittene Beste. Oben, auf den Bänken für's Zuschauen und Schiedsrichtern, saßen eine Menge Menschen, beide Bänke waren voll besetzt, und rückwärts standen und gingen noch etliche Personen herum; aber jetzt und hier, in meiner Erinnerung, kann ich diese nicht einzeln ausnehmen, bis auf den Konsular-Akademiker Grauermann, der von links, wo ein Gartenhaus stand, hinzukam, in weißen Hosen über das grüne Gras gehend, einen sauberen hellen Gegenstand in der Hand, nämlich ein Racket mit Presse, an welcher er im Gehen schraubte. Ich ging nach rechts weg, aus einem plötzlichen Antrieb, vielleicht dem Wunsche folgend, ein wenig allein zu sein. Es scheint mich also der bereits weit gediehene Kampf zwischen Semski und Grabmayr nicht sehr interessiert zu haben und vielleicht das ganze Tennis nicht. Eines seh' ich noch überdeutlich vor mir: wie Grauermann von links kam und ich nach rechts abging; beide trugen wir weiße Tenniskleidung; oben über uns und über dem Platze und der Gesellschaft auf den Bänken stand der Hochwald, sonnenverschleiert, nicht deutlich zu sehen, so nahe er war. Ein kleiner Weg führte zwischen einigen Obstbäumen und Büschen, er senkte sich, und ich sah den Bach, das Wasser plätscherte im Fall an der Mauer eines Stautümpels herab, der zur Speisung einer Nutzwasserleitung diente. Daneben auf
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