Die Tallinn-Verschwörung - Thriller
den Kopf. »In Darfur im Sudan. Hans Joachim Hoikens und ich haben in derselben Einheit gedient. Damals hielt ich ihn für einen guten Kameraden, aber er war ein Agent Feilings, der in der Bundeswehr Gesinnungsfreunde finden und anwerben sollte.«
»Du warst im Sudan? Davon musst du erzählen!« Jürgen setzte sich auf einen Hocker und sah Torsten erwartungsvoll an.
Der winkte ab. »Vielleicht später einmal. Jetzt würde ich gerne wissen, wie ihr zu dem Mann steht, der die Türkin erschossen hat.«
Jürgen zuckte mit den Schultern. »Wir kennen ihn nicht einmal. Er kam kurz vor dem Schuss zu uns und hat uns aufgefordert, auf die Schwarzk… äh, Muslime einzuprügeln. Wir wollten es eigentlich nicht tun, denn uns standen mehrere Hundert Türken gegenüber.«
Im ersten Augenblick dachte Torsten, der Bursche wollte ihm ausweichen, doch während er ihn beobachtete, kam er zu dem Schluss, dass er die Wahrheit sagte. Claudi bestätigte Jürgens Aussage und schloss mit der Hoffnung, dass ihre Freunde mit heiler Haut davongekommen waren.
Ihre Worte ließen Jürgen nachdenklich werden. »Verdammt! Die haben doch gesehen, wie du Kobner gegen den Arm geschlagen hast, und werden sich ihre Gedanken machen.«
»Wer?«, fragte das Mädchen verständnislos.
»Sie werden sagen, dass du eine Verräterin bist! Außerdem haben sie gesehen, wie wir zusammen mit Torsten abgehauen sind. Bei denen brauchen wir uns nicht mehr blicken zu lassen. Die brechen uns sämtliche Knochen.«
Torsten nickte. »Ihr solltet nicht in eure Wohnung zurückkehren, denn dort werden sie euch als Erstes suchen.«
Nun erst schien Jürgen in ganzem Umfang zu begreifen, in welchen Schwierigkeiten er steckte. »Was sollen wir dann tun?«
»Bleibt erst einmal bei mir, bis uns etwas Besseres einfällt. « Torsten war nicht gerade begeistert, das Apartment mit den beiden teilen zu müssen, aber er konnte sie nicht einfach auf die Straße setzen.
SIEBZEHN
I n Kardinal Rocchigianis Haus wunderte sich die Haushälterin, den päpstlichen Archivar, der die Papiere ihres toten Herrn geholt hatte, so schnell wiederzusehen. Etwas ängstlich, weil sie einen Teil des Nachlasses Graziella übergeben hatte und nicht den vatikanischen Behörden, sah sie zu dem Mann auf.
»Sie wünschen, mein Herr?«
»Don Batista und ich würden uns gerne die Wohnung ansehen. «
Jetzt erst erkannte die Frau den Priester im schwarzen Anzug, der hinter dem Archivar stand. Sein durchdringender Blick machte ihr Angst, und sie wollte schon die Tür vor den beiden zuschlagen. Der Archivar schien ihre Absicht zu spüren, denn er stellte den Fuß dazwischen, drückte das Türblatt auf und schob die alte Frau beiseite. Dann machte er Don Batista Platz.
Dieser schloss die Tür, drehte den Schlüssel um und steckte ihn in seine Tasche. »Wir wollen ungestört bleiben!«
Für die alte Frau klang das wie eine Drohung. »Was wollen Sie?«
»Die Papiere Kardinal Rocchigianis, die Sie uns bis jetzt vorenthalten haben!«
»Aber ich habe dem Herrn hier alles mitgegeben!«
Don Batista sah ihr an, dass sie log. Er streckte seine Hand aus, krallte sie in die Schulter der Frau und drückte zu.
Rocchigianis Haushälterin schrie vor Schmerz auf. »Bitte, hören Sie auf!«, flehte sie den Mann an.
Der Priester presste seinen Daumen gegen ihr Schlüsselbein, bis er es knacken hörte. »Wo sind die übrigen Unterlagen? «, fragte er so ruhig, als wolle er nur die Uhrzeit wissen.
Als die Frau nicht sofort antwortete, packte er mit seiner Linken ihre andere Schulter. »Also, ich warte, aber nicht sehr lange!«
Die alte Frau sank wimmernd zusammen. »Graziella hat sie, Kardinal Monteleones Großnichte!«
»Das dachte ich mir schon.« Don Batista nickte, als müsse er sich selbst loben, und wandte sich an den Archivar.
»Lodovico, du weißt, was du zu tun hast!«
Der Mann blickte den Lichthof hoch, in dem sich die Treppe drei Stockwerke nach oben wand, fasste die alte Frau um die Taille und schleppte sie trotz ihres Schreiens und Sträubens hinauf. Am obersten Treppenabsatz blieb er stehen, hob die Haushälterin über das Geländer und ließ sie in die Tiefe fallen.
Don Batista wich einen Schritt zurück, als die Frau dicht an ihm vorbeifiel und schwer auf den Steinboden des Kellergeschosses aufschlug. Nach einem Blick über das Geländer stieg er die Treppe hinab und überzeugte sich, dass ihr Opfer tot war. Danach kehrte er ins Erdgeschoss zurück und verließ zusammen mit dem Archivar das
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