Die Terranauten 092 - Das Geheimnis der Genessaner
mir die schlimmste Niederlage meines Lebens bereitet. Ich würde es ihm nie mehr vergessen können.
*
Cantos hatte den Anschlag auf sein Leben unbeschadet überstanden, und er führte uns wieder – gemeinsam mit Lineasker.
Uns stand ein langer Fußmarsch bevor, und wir durften unsere PSI-Fähigkeiten unterwegs nicht einsetzen. Das Risiko war zu groß.
Jana und ich hielten uns zusammen. Wir vermieden den Kontakt mit dem Supertreiber, wo wir nur konnten. So war Thor 51 gezwungen, hinter uns herzulaufen. Er war isoliert, denn auch die Genessaner akzeptierten die Art des Supertreibers nicht.
Er fühlte sich nicht nur als Übermensch, sondern auch den Genessanern überlegen.
Ich konnte mir denken, was er über die Genessaner dachte. Für ihn waren das degenerierte Wesen, die keine Existenzberechtigung mehr hatten – zumal sie unfähig waren, ihre eigenen Probleme in den Griff zu bekommen. Daß an diesen Problemen die Menschheit schuld hatte, daran schien er nicht zu denken.
Einmal beobachtete ich ihn und versuchte, seine Gedanken zu erraten. Er merkte es und grinste mich herablassend an.
Thor 51 schien es nicht einmal etwas auszumachen, daß wir ihn isolierten. Für ihn war das vielmehr die Bestätigung für seine Überlegenheit.
Heiße Wut entstand in mir. Ich drängte sie gewaltsam zurück.
Jane merkte es. Sie legte beruhigend ihre Hand auf meinen Unterarm.
Eine warme Geste, die ihre Wirkung tat. Ich sah sie dankbar an.
Jana hatte mir noch nie etwas Besonderes bedeutet, und ich war sicher, daß wir nach diesem Abenteuer wieder zum normalen Leben zurückkehren würden, aber in der genessanischen Situation entstanden gewisse Bande zwischen uns, und ich fand es wieder einmal äußerst bedauerlich, daß daraus niemals etwas werden konnte.
Jana war eine normale, aktive Frau und ich – ein Riemenmann!
Wieder kam jene Bitterkeit in mir auf, die ich so sehr haßte, und es gab kein Ventil dafür. Der Marsch war eintönig. Die ganze Welt schien nur aus dieser braunen Wüste zu bestehen. Die braune Erde zerkrümelte unter unseren Füßen zu Staub. Ein sanfter Wind trug ihn davon.
Dann blieb auch der Wind aus. Kein Lüftchen regte sich. Wie die Ruhe vor dem berüchtigten Sturm.
Und in der Tat war uns ja bekannt, daß der Tafelberg von heftigen Stürmen umtost wurde.
Cantos blieb plötzlich stehen. Ich sah, warum: Lineasker! Ihr Gefieder zitterte vor Erregung. Sie stieß seltsame Laute aus: wie eine Sprache, aber selbst Cantos schien sie nicht zu verstehen.
Waren es rituelle Beschwörungen?
Ich wollte näher gehen, aber Cantos winkte ab.
Lineasker brach zitternd zusammen, und Cantos tat nichts dagegen. Das konnte ich nicht verstehen.
Und jetzt trat Cantos sogar von ihr zurück. Lineasker kauerte schreiend und bibbernd am Boden. An dieser Stelle schien ein Miniaturwirbelsturm zu entstehen.
Jemand schob sich an mir vorbei: Thor 51. Er stellte sich demonstrativ vor mich, verschränkte die Arme vor der Brust, spreizte die Beine.
Notgedrungenermaßen mußte ich zur Seite treten, um an ihm vorbeizusehen.
Lineasker verstummte. Sie hob die gefiederten, schlanken Arme gegen den Himmel. Ein überirdischer Ausdruck entstand in ihrem exotischen Gesicht. Die Augen funkelten.
Der Staub ringsum wurde spiralförmig emporgewirbelt. Ein Lufthauch fuhr über uns hinweg.
Und dann fauchte der Staub in einer dichten Fahne empor, drehte sich schlauchförmig und zerflatterte erst in hundert Metern Höhe.
Lineasker war das Zentrum des Wirbels.
Der Wirbel fächerte auseinander und zerfaserte. Dann fiel er in sich zusammen.
Lineasker blinzelte, als würde sie aus tiefem Schlaf erwachen und müßte sich erst zurechtfinden.
»Sie hat es geschafft«, murmelte Cantos tonlos.
» Was hat sie geschafft?« fragte ich gereizt.
Cantos antwortete nicht sofort, sondern half Lineasker auf die Beine. Sie wandten sich uns beide zu.
»Das Tor ist geöffnet«, sagte Cantos. »Wir dürfen hindurchtreten.«
Er machte eine allesumfassende Geste: »Dies hier ist die äußerste Grenze. Der Berg schirmt sich ab. Es geschieht nicht bewußt. Alles, was Genessos widerfährt, entspringt keiner Absicht.«
Ich wünschte mir, Cantos würde nicht so sehr in Rätseln reden.
Sein Zyklopenauge richtete sich auf mich. Es wirkte irgendwie traurig.
Lineasker begann zu sprechen: »Es ist nicht einfach zu erklären, Llewellyn. Du weißt inzwischen, daß man mich die Eremitin vom Berg nennt. Du kennst auch die Geschichte von der Entität der
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