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Die Tiefe einer Seele

Die Tiefe einer Seele

Titel: Die Tiefe einer Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Dakota
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bitte, Dad, ich benehme mich wirklich schrecklich.«
    »Da kann ich Dir nicht widersprechen, mein Junge. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es einen Grund für Dein Verhalten gibt, also raus mit der Sprache!«
    James begann, ohne Zögern zu sprechen. So vieles hatte sich in ihm aufgestaut, das er unbedingt ein Ventil brauchte, wenn es ihn nicht ersticken sollte. Die Worte flossen aus ihm wie ein reißender Wildbach und mit jedem Satz, der seine Lippen verließ, wurde ihm leichter ums Herz. Es war erstaunlich. Zwar hatte James zu seinem Vater, bevor die Unstimmigkeiten wegen der Firma begannen, ein recht inniges Verhältnis gehabt, doch derart intime Unterhaltungen hatte er eher mit der Mutter geführt. Vielleicht war es Zufall, weil der Senior nun mal gerade in diesem, für ihn schweren Moment angerufen hatte, vielleicht aber war es auch genau das, was James jetzt brauchte. Das Gespräch mit einem äußerst tatkräftigen Mann, der schon seit Jahrzehnten nach der Devise »Geht nicht gibt’s nicht!« lebte. James erzählte seinem alten Herrn alles. Von dem Ozean der Tränen, in dem Amy seit ihrer Ankunft auf Cape Cod versunken war, von seinen erfolglosen Versuchen, sie zu trösten und sie aufzumuntern. Er berichtete seinem Dad von der Unterhaltung mit Erin, und wie er Amy daraufhin vorgefunden hatte.
    »Ich bin am Ende mit meiner Weisheit, Dad. Ich will sie unter keinen Umständen in eine Klinik bringen, aber wohlmöglich bleibt nur das letztendlich übrig.«
    »Das ist Unsinn, mein Sohn, und das weißt Du auch. So schnell gibt ein Prescott nicht auf. Denk noch mal darüber nach, was Dir Deine kluge Schwester gesagt hat. Du musst das Mädchen aufrütteln und ihr dann die Zeit zum Grübeln nehmen. Nur so kann es gehen.«
    »Aber wie denn, Dad? Ich habe Dir doch gerade erzählt, dass sie gar nicht mehr auf mich reagiert. Sag mir, was ich tun soll.«
    »Also bitte, James! Du bist auf Cape Cod, einem wunderschönen Fleckchen Erde. Da, wo der Himmel ganz nahe scheint. Was tun die Menschen dort, wenn sie nicht mehr weiterwissen, wenn sie wütend und verzweifelt sind oder hoffnungslos? Noch direkter gesagt, was tut Deine Mutter, wenn ich sie wieder bis aufs Blut gereizt habe, oder das Heimweh nach Deutschland sie quält? Ob das auch für Deine Amy das Richtige ist, weiß ich nicht, aber ein Versuch wäre es wert.
    In Kopf von James ratterte es wie in einem außer Kontrolle geratenen Uhrwerk.
    »Das könnte klappen, Dad!« stieß er atemlos aus. »Das könnte es wirklich sein!«
     

Kapitel 35
     
    27.  Mai 2013 – Hyannis Port
     
    »Gib sie mir!« James Anthony Prescotts klare Anordnung duldete keinen Widerspruch. Dennoch verspürte Russel McPherson eben einen solchen aus seinem tiefsten Innern aufsteigen, zu seltsam kam ihm das vor, was hier gerade geschah. Seit 15 Jahren war er nun Stallmeister der Prescottschen Stallungen auf Cape Cod. Er hatte die Aufgabe von seinem Vater übernommen, genau wie dieser von seinem und auch schon in den beiden Generationen davor war ein McPherson in Diensten der Prescotts gewesen. Wobei das nicht annähernd aussagte, was die beiden Familien wirklich miteinander verband. Russels Ururgroßvater Alan McPherson hatte 1858 als Zehnjähriger das Unglück auf der Brighton überlebt, dank des heroischen Einsatzes von William Nicolas Prescott. Der Knabe war der einzige Überlebende seiner Familie gewesen, seine Eltern und seine Geschwister waren vor seinen Augen elendig ertrunken. William Nicolas Prescott hatte damals nicht lange gezögert und hatte den Waisenjungen bei sich aufgenommen, hatte ihn wie ein eigenes Kind aufgezogen. Seitdem waren die Schicksale der Prescotts und der McPhersons eng miteinander verwoben. Und ihr Verhältnis zueinander war über all diese Generationen immer innig und freundschaftlich gewesen. Bis heute jedenfalls.
    »Russel, bist Du taub? Gib Sie mir jetzt! Keine Bange, sie sieht zwar aus, als wäre sie aus Zucker, ist sie aber nicht. Ganz bestimmt nicht.«
    Der arme Stallmeister McPherson stand mehr als ratlos inmitten seines Hoheitsgebiets, nämlich im Stall, und hielt diese junge Frau in seinen Armen. Noch immer konnte er nicht glauben, was sich da gerade vor seinen Augen abspielte. Keine fünf Minuten war es her, dass James sein Refugium gestürmt hatte. Ja, gestürmt war absolut der richtige Ausdruck für das energische Auftreten des jungen Prescotts. Er war herein marschiert, mit dieser Rothaarigen, die er über seine Schulter geworfen hatte. Für einen

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