Die Tiefe einer Seele
verzweifelt war er in diesem Moment. Warum nur musste ausgerechnet ihm das alles passieren? Warum konnte er sich nicht in eine gesunde Frau verlieben? Aber dann kam ihm der Gedanke, wie verzweifelt Amelie selbst sein müsste, weil sich ihre Krankheit nicht einfach so vertreiben ließ, sie immer wieder aufs Neue Besitz von ihr ergriff, gnadenlos, erbarmungslos. Daher entschied James sich, sein Selbstmitleid dorthin zu verfrachten, wo es hingehörte. Er schoss es zum Mond! Sinnbildlich natürlich, dennoch genauso effektiv. So als wenn nichts gewesen wäre, als hätte er niemals gezweifelt, ging er weiter auf Amy zu. Als er sie erreicht hatte, setzte er sich hinter sie in den Sand und umfing sie mit seinen langen Beinen und Armen. Zeigte ihr, dass sie nichts zu fürchten hatte, wenn er bei ihr war. Amelie war kurz erschrocken, als James sich ihr so näherte, doch nach wenigen Sekunden schmiegte sie sich in seine Umarmung.
»Es tut mir so leid«, weinte sie leise. »Aber ich kann einfach nichts dagegen machen.«
»Schschsch!«, beruhigte James sie. »Wie sollten wirklich aufhören, uns ständig beim anderen zu entschuldigen. Du machst das nämlich mittlerweile genauso oft wie ich, dabei hat Dich das immer so genervt, wenn ich es getan habe. Wir wussten beide, worauf wir uns hier einlassen, Liebes. Da müssen wir jetzt eben durch. Und wir schaffen das auch.«
Sanft wog er sie in seinen Armen, doch ihr Schluchzen wollte einfach nicht verebben.
»Soll ich Dir eine Geschichte erzählen?«, fragte James mit dunkler Stimme. Amy antwortete nicht, aber ihm war auch so klar, was er zu tun hatte.
»Es war einmal ein Prinz, der lebte in einem wunderschönen Königreich. Sein Vater hatte ihn ausersehen, eines Tages die Krone zu erben, und der Prinz freute sich darauf, die Verantwortung für das Königreich und für alle Menschen, die dort wohnten, zu übernehmen. Aber Ereignisse, die unheilvoll über ihn hereinbrachen, brachten ihn ab von seinem, ihm vorbestimmten Weg. Er verließ das Königreich und suchte sein Glück in der Ferne. Doch fand er es nicht, bis zu dem Tag, wo eine wunderschöne, wenn auch eigenwillige Prinzessin seinen Weg kreuzte und ihm sein Herz stahl. Und nicht nur das. Sie beschwor den ruhelosen Prinzen, sich auf seine Wurzeln zu besinnen und auf die Verantwortung, der er niemals entkommen könne, möge er auch noch so weit davonlaufen. Der Prinz war sehr erbost über die Einmischung der Prinzessin, doch als er nachgedacht hatte, erkannte er die tiefe Weisheit in ihren Worten und folgte ihrem Ratschlag. So sattelte er sein Pferd und……..«
»Du wirst Prescott Publishing übernehmen?«, unterbrach Amelie ihn atemlos.
James lächelte und drückte ihr einen sanften Kuss auf die tränennasse Wange, während seine Arme sie noch fester umschlangen.
»Ja, das werde ich«, erwiderte er dann ernst. »Zumindest probeweise. Und dass ich das tue, das ist einzig und alleine Dein Verdienst. Weißt Du, ich habe immer gedacht, ich hätte den Tod meines Sohnes akzeptiert. Ich nahm ihn hin, weil ich es musste, denn ich konnte daran nichts ändern. Mir war nicht klar, dass ich überhaupt nichts akzeptiert oder gar hingenommen habe. Weggelaufen bin, verdrängt habe ich, nichts weiter. Du hast mir die Augen geöffnet und mich zurück auf meinen Weg geführt. Du bist meine Prinzessin, Amelie Johannson, und wenn Du es zulässt, dann würde ich gerne Dein Prinz sein.«
Er lockerte seinen Griff ein wenig und drehte sie so, dass sie ihn anschauen konnte. Liebevoll wischte er mit dem Daumen eine kullernde Träne beiseite und umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen, sah sie mit seinen glühenden, schwarzen Augen an, wie er es nie zuvor getan hatte. »Ich liebe Dich, Amy. Vermutlich, seit ich Dich das erste Mal sah. Ich liebe Dich von ganzem Herzen, aus tiefster Seele und mit allem, was ich bin und je sein werde. Keine Sekunde meines Lebens möchte ich mehr ohne Dich verbringen, denn Du hast mich gerettet, hast mich vor einem einsamen und trostlosen Dasein bewahrt. Bitte verlass mich nie wieder! Bleib bei mir! Sei mein Ein und Alles! Für immer!«
Bei den meisten Frauen hätten solche Worte einen nicht endenden Tränenstrom ausgelöst, bei Amelie bewirkte es das Gegenteil, ihre Tränen versiegten. Ihre Augen klärten sich und zeigten einmal mehr dieses unvergleichliche Funkeln. Das erste Mal, seitdem sie den Boden von Massachusetts betreten hatte.
»Ich liebe Dich auch, James«, antwortete sie mit fester Stimme, und als sich
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