Die Tiefe einer Seele
ihre Lippen voller Sanftheit berührten, besiegelten sie mit diesem Kuss das besondere Band zwischen ihnen. Im Hintergrund rauschte der Ozean, fast so, als würde er dem sich innig liebkosenden Paar sein Wohlwollen mitteilen wollen. Alle Traurigkeit, alle Finsternis schien in weite Ferne gerückt. Es gab nur sie in diesem kostbaren Moment und das Glück, das sie miteinander teilten.
Kapitel 37
1. Juni 2013 – Hyannis Port
»Der Mann ist des Wahnsinns, ohne Zweifel!« Erin Prescott ließ an diesem Morgen nicht mal die Spur eines Verdachts aufkommen, dass sie ihrem Bruder in irgendeiner Weise liebevoll zugetan war. Im Gegenteil, ihre abgrundtiefe Verachtung und Abneigung spiegelte sich in ihrem extrem unentspannten Gesicht, wie das noch zarte Blau des Himmels auf der Wasseroberfläche des frühmorgendlichen Atlantiks.
»Es ist sechs Uhr, James Anthony Prescott!«, blaffte sie ungehindert weiter. »SECHS Uhr! Am Morgen wohlgemerkt. Hast Du eigentlich sonst keine Probleme, als friedliebende Menschen in ihrem wohlverdienten Urlaub vom Schlaf abzuhalten? Wie auch immer, ich werde Dir das in Deiner augenblicklichen Situation nachsehen und mich nun unverzüglich wieder in meine Federn begeben.«
Sie konnte es einfach nicht fassen. James hatte sie vor einer Viertelstunde aus einem wunderbaren Traum gerissen. Mit einer absoluten Traumfigur, die sie nach einer sechswöchigen, superleckeren Eiscreme-Diät ihr eigen nennen konnte, hatte sie Donovan O’Really für sich gewinnen können, den heißesten Dozenten, den die Kunstakademie in Berkeley aufzuweisen hatte. Gerade eben hatte dieser sagenhafte Typ eindeutig zweideutige Dinge mit ihr angestellt, als ein Riesen-Tamtam sie aus dem Schlaf und leider auch aus ihren rosaroten Hirngespinsten geholt hatte. Senkrecht hatte sie im Bett gestanden, weil James ein Klopfkonzert auf ihrer Tür veranstaltete und lauthals rief, als wäre etwas Schreckliches passiert. Das war es schließlich, was Erin bewegt hatte, aufzuspringen und zur Tür zu eilen. Musste sie doch befürchten, es ginge um Amelie. Damit lag sie richtig, nur war es ganz anders, als sie befürchtet hatte.
In den letzten Tagen hatten die Stimmungen des Mädchens, für das das Herz ihres Bruders schlug, öfter gewechselt als der Aufschlag in einem regulären Tennis-Match. Das wunderte die Ärztin nicht, denn es war typisch für das Krankheitsbild. Dennoch zehrte es an den Nerven aller in ihrem unmittelbaren Umfeld. Das betraf natürlich in erster Linie James, der jedoch eine stoische Ruhe entwickelt hatte und immer mehr zu Amys Fels in der Brandung wurde, dem niemand etwas anhaben konnte. Erin hingegen beunruhigte der Zustand der anderen jungen Frau im Feriendomizil der Prescotts zunehmend. Sie war nun mal keine Psychologin, das hatte sie James von Anfang an gesagt, doch er hatte darauf bestanden, dass sie mitkommt nach Cape Cod. Und jetzt steckte sie bis zum Hals mit drin in diesem Schlamassel. Denn so empfand sie es. Sie mochte Amy, ja, sie mochte sie wirklich sehr, aber ihre derzeitige Verfassung ließ für Erin nur einen Schluss zu; Amelie musste sich einer professionellen Behandlung unterziehen, je eher desto besser.
Ihr Bruder sah das anders. Das hatte er ihr bei einem lautstarken Streit am Abend zuvor mehr als deutlich gemacht. Er wollte sie bei sich behalten. Um jeden Preis. Danach hatte er lange mit Amys Mutter telefoniert, die ihm scheinbar irgendwelche Flöhe in den Kopf gesetzt hatte.
Ungläubig sah Erin nun an sich herunter. Sie konnte es nicht fassen. Hatte sie sich doch glatt von James nötigen lassen, ihre verhassten Jogging-Klamotten aus dem Schrank zu kramen. Jetzt stand sie neben Amy in der Eingangshalle des Prescottschen Anwesen. Zähneknirschend erkannte Erin, dass die andere Frau in ihren kurzen Shorts und dem knappen T-Shirt einfach bezaubernd aussah, während sie wohl eher wie eine verkleidete Litfaß-Säule wirkte, das redete sie sich wenigstens ein. Und James tat das Übrige dazu, dass sie sich in ihren negativen Gedanken bestätigt fühlte.
»Haha, Ihr zwei seht aus wie Pat und Patachon!«, lachte er aus vollem Halse, was seine Schwester bis ins Mark traf.
»Kann ja nun mal nicht jeder als winziges Zuckerpüppchen zur Welt kommen«, fauchte Erin und verpasste Amy einen bösen Blick. Die Rothaarige zuckte unter dieser Feindseligkeit zusammen. Ihre Schultern sackten nach unten, und sie wirkte noch ein wenig kleiner, als sie ohnehin schon war. Es hätte nicht mal James‘
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