Die Titanic und Herr Berg
mal, wo ich wohne.
«Tanja, es ist ja nicht so, dass wir abstimmen, ob es dir schlecht geht … aber zwei gegen eine.» Ina lacht. Sie will mich auf den Arm nehmen, aber dafür bin ich zu schwer.
«Gut, also …», sage ich. Wir können gerne noch plänkeln, helfen kann sie mir nicht. Wir können gerne befreundet sein, helfen kann sie mir nicht. Wir können gerne Saft und Wein trinken, aber sie hört es ja nicht mal. Gestern habe ich gesehen, dass bei dem Mann unten in meinem Haus die Uhr falsch geht. Ich kann in seine Küche kucken. Die Uhr geht nach, eine halbe Stunde fast. Ich wollte bei ihm klingeln und ihm sagen, dass seine Uhr falsch geht, aber seine Klingel war kaputt. Da wollte ich bei ihm klopfen und ihm sagen, dass seine Klingel kaputt ist und seine Uhr falsch geht. Das habe ich mir ausgedacht, aber Ina findet es lustig. Dann legen wir auf. Ich habe heute wieder eine Leiter gekauft, für die Küche, es geht doch aufwärts. Bei Peter ist nicht mehr besetzt, aber er ist nicht da. Ich muss mit leeren Händen schlafen.
fünfzehn
Ich gehe die Straße entlang in meiner, ich sag mal, lässigen Art. Es ist die Straße, in der Tanja wohnt, und ich gehe hier ständig entlang. Ich wundere mich nicht mal mehr darüber, und darüber wundere ich mich dann doch. Ich hatte das so nicht vor, weder das erste Mal noch die anderen x Male. Ich bin da so reingerutscht, jedes Mal wieder. Sie will mich immer. Das bin ich nicht gewohnt und jetzt habe ich mich daran gewöhnt. Aufhören wird es von alleine, muss ja. Ich habe eine Wechselunterhose in der Tasche. Das ist absurd wie nix. Das erste Mal habe ich nicht mal bei ihr übernachtet. Da haben wir noch ambulant gefickt. Inzwischen gehe ich morgens mit der schmutzigen Unterhose in der Tasche wieder zur Arbeit und meine Unterhosen, das kann ich hier mal so anmerken, sind wirklich schmutzig. Ich spreche von symbolischen Bremsspuren. Ich scheiß mir ständig ein. Tanja frisst mich auf oder bringt mich um. Aber ich bin zu feige für fixen Selbstmord. Sie kann doch mal zu ihren jugendlichen Liebhabern gehen wollen, anstatt mich so zu schröpfen. Sie will mich. Ist doch auch mal was für so ’nen Ladenhüter wie mich. Heute habe ich mich den halben Tag gefreut, weil ich gestern mit ihr geredet habe, als sie mir einen geblasen hat. Ich habe sie gefragt, wo wir uns kennen gelernt haben. «Otzhalhangt» hat sie gesagt. Da habe ich heute die Stunden im Otzhalhangt besser weggesteckt, obwohl Jürgen existiert, obwohl alles existiert, obwohl ich mit dem Azubi in der Raucherecke rumhängen musste. Lukas raucht neuerdings, ist eine Berufskrankheit: Augenringe, Allmachtsphantasien, Rauchen. Lukas redet nicht viel, aber ich kann das noch nicht entspannend finden, dazu hat er zu interessierte Augen hinter der Brille. Egal, ich habe ja Feierabend und alles im Griff, zumindest die Tasche.
Wenige Meter vor Tanjas Haus liegt ein Tampon auf dem Bürgersteig. Wem der wohl gehört? Bestimmt einer Frau. Der Tampon ist unbenutzt und auch noch eingeschweißt und Tanja steht ja so auf kleine Mitbringsel und hat auch Humor. Ich lasse den Tampon trotzdem liegen. Weil mein Blick gesenkt ist, sehe ich direkt auf der einen Stufe vor Tanjas Haus ein Feuerzeug. Es ist grün und eines von diesen ovalen Feuerzeugen, mit denen man Bierflaschen schlechter aufbekommt als mit den eckigen. Ich überlege sehr kurz, ob ich mich bücke, aber ich bücke mich schon den ganzen Tag, nach Feierabend nicht mehr, never. Neben dem Feuerzeug liegt eine verwelkte Rose. Kombiniere: das Feuerzeug ist tot. Das Glück liegt ja echt auf der Straße: Tampon, Feuerzeug, Rose, man muss es nur hinwerfen. Ihr Haus, da stehts und ist nicht zusammengefallen, auch diesen Tag leider nicht. Ich gehe jetzt schon den dritten Tag in Folge zu ihr. Die Unterhose in meiner Tasche ist die von gestern, aber Tanja hat sie zwischendurch gewaschen und nachts auf die Heizung gelegt. So schön warm nehme ich die Unterhose morgens mit, weil ich vorhabe, zu mir nach Hause zu fahren, und was wäre das denn, wenn ich eine Unterhose bei ihr lasse? Ich habe ja auch keinen Schlüssel zu ihrer Wohnung. Hallo Schatz, oder was? Ich war seit drei Tagen nicht zu Hause. Was soll ich da, wo meine elektrische Zahnbürste ist? Mir die Zähne putzen? Kann ich auch bei Tanja. Zahnbürste ist in der Tasche. Ich müsste die Palme mal gießen. Das ist meine Pflicht. Was sind Sie von Beruf? Ich bin beim Otzhalhangt. Und wie gestalten Sie Ihre Freizeit? Ich gieße die Palme. Ach
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