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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Schwierigkeiten und Gefahren, wenn ihr allein unterwegs seid. Wer also unter den genannten Bedingungen in der Truppe bleiben will, hebe die Hand.»
    Bis auf Lambert und Anna hoben alle nach und nach die Hand, zuletzt, wenn auch zögerlich, Ambrosius.
    «Habt ihr beiden euch entschieden, hier zu bleiben?»
    «Ja.» Lambert nahm Anna, der Tränen in den Augen standen, bei der Hand. «Es wird vorübergehen», versuchte er sie zu trösten.
    Zu Marthe-Maries Erstaunen tauchte Salome, die sich sonst aus allem Gemeinschaftlichen heraushielt, neben Anna auf.
    «Es wird weniger hart, als du fürchtest. Die Bäuerin ist vielleicht eitel und dumm, bösartig ist sie nicht. Euren Niklas werdet ihr kaum zu Gesicht bekommen, aber noch vor Ostern seid ihr alle wieder vereint. Mach dir keine Sorgen.»
    Dann wandte sie sich an die anderen. «Die nächsten Monate werden hart. Wer nur seine eigene Haut retten will, sollte lieber gleich seiner Wege gehen.»
    Niemand nahm seine Entscheidung zurück. Und niemand schien an den Worten der Wahrsagerin zu zweifeln.
    «Gut.» Der Prinzipal kratzte sich an seinem kahlen Schädel. «Sucht morgen alles zusammen, was ihr mitnehmt, und packt den Kram auf Quirins Eselskarren. Der Wohnwagen bleibt hier für Lambert und Anna und für alle Dinge, die noch von Wert sind. Auf diese Weise», er klopfte Lambert auf die Schulter, «habt ihr zwei ein eigenes Dach über dem Kopf, und ihr könnt gleichzeitig unsere Sachen im Auge behalten. Bleibt nur noch die Frage, wie wir Maximus nach Horb bekommen.»
    «Auf seinen eigenen Beinen.»
    Der Riese steckte seinen verbundenen Kopf aus dem Wohnwagenfenster und grinste. «Ihr werdet sehen, übermorgen reiße ich schon wieder Bäume aus.»
    In aller Frühe zogen sie los: vierzehn Männer, vier Frauen, sieben Kinder und ein Karren mit einem dürren Maulesel davor. Die Hunde und das Kamel hatten sie bei Lambert und Anna gelassen. Der Abschied von ihnen und ihrem Sohn fiel den Komödianten schwer, waren sie doch von Anfang an in Sonntags Truppe dabei gewesen. Tilman hatte Niklas sogar sein einziges Paar Lederschuhe geschenkt, damit er beim Viehhüten nicht frieren musste.
    Marthe-Marie zog es das Herz zusammen, als ihr bewusst wurde, was aus dem einst so stolzen Tross geworden war: ein armseliger Haufen, der jetzt mit gesenktem Kopf durch den Nieselregen marschierte, einem ungewissen Schicksal entgegen.
    Bald wurden die Wälder lichter und ließen Raum für Streuobstwiesen und Felder. Agnes und Lisbeth hockten auf dem winzigen Kutschbock von Quirins Karren, die Frauen klaubten halb verfaulte Äpfel vom Wegesrand auf. Am Spätnachmittag sahen sie zwischensteilen Hügeln die Neckarstadt liegen. Das Tal, das sie herabgestiegen waren, endete geradewegs vor den mächtigen Mauern der Stadt, die mit ihrer Silhouette aus Wehr- und Kirchtürmen, aus bergaufwärts strebenden Fachwerkbauten und Befestigungsanlagen und der alles überragenden Festung einen imposanten Anblick bot. Rechts und links des engen Tals wachten zwei Rundtürme über jeden Neuankömmling, dazu erhob sich hoch oben auf einer Bergkuppe eine hohe Wart, und selbst das Wassertor, durch welches der kleine Bach rechts der Straße in die Stadt floss, war mit einem schweren Eisengitter gesichert. Wie bedeutsam muss dieser Ort sein, dachte Marthe-Marie, wenn er sich so vehement schützen muss.
    Ein Torwärter trat aus seinem Häuschen und stellte sich ihnen in den Weg.
    «Kein Einlass für Bettler und Zigeuner.»
    «Wir sind weder das eine noch das andere.» Der Prinzipal versuchte höflich zu bleiben. «Wegelagerer haben uns überfallen und alles genommen. Und nun suchen wir vorübergehend ein Domizil, um wieder auf die Beine zu kommen, und zwar durch unserer Hände Arbeit.»
    «Auf solche wie euch haben wir nur gewartet.» Der Wärter grinste verächtlich. «Ich verwette meinen Hut, dass ihr nicht einmal Pflastergeld bezahlen könnt.»
    «Was denkt Ihr – selbstverständlich können wir das.»
    Sonntag kramte in seinem eingefallenen Lederbeutel. Wohlweislich hatte er vor dem raffgierigen Einödbauern ein paar Groschen versteckt gehalten, da er wusste, dass man in die meisten Städte ohne Begleichen der städtischen Steuer erst gar nicht eingelassen wurde.
    Der Torwärter baute sich vor ihm auf. Er überragte den Prinzipal um Kopfeslänge. «Schert euch weiter, aber schleunigst.»
    Entschlossen drängte sich Marthe-Marie dazwischen.
    «Guter Mann, ich weiß, dass Ihr Eure Pflicht tut, doch der äußere Anschein

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