Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
Sabbermund stopfen. Das muss ihn furchtbar geärgert haben.«
Henry schüttelte den Kopf, zuckte erneut zusammen und sah sie mit klaren Augen an. »Donnerwetter! Ich wette, das waren ursprünglich Adams Soldaten. Warum haben sie sie ihm nicht mitgegeben? Dann hätte er doch wenigstens dieses Vergnügen gehabt!«
»Ich weiß nicht …«, murmelte Emma ratlos.
»Kommen Sie.« Er wandte sich abrupt um und ging zur Treppe.
Sie raffte ihre Röcke zusammen, folgte ihm und stieg hinter ihm die Treppe hinauf.
Auf dem ersten Absatz bog Henry in einen Korridor ein. Vor einer Tür etwa in der Mitte des Ganges blieb er stehen. »Warten Sie hier.«
Sie war froh, dass er so viel Anstand besaß, sie draußen warten zu lassen. Lizzie hatte ihr auf ihrem Rundgang zwar Henrys Zimmer gezeigt, doch auch für eine Lehrerstochter schickte es nicht, gemeinsam mit einem Mann sein Schlafzimmer zu betreten.
Wirklich nicht? , flüsterte ihr Verstand, als sie daran dachte, wie unbekümmert sie in Adams Zimmer gegangen war. Doch irgendwie war es etwas völlig anderes, Henrys Zimmer zu betreten.
Da kam Henry auch schon wieder heraus, wobei er die Tür weit aufriss. Sie roch den schwachen Duft nach Haarwasser. Hinter ihm erhaschte sie einen Blick auf Mahagonimöbel, ein massives, auf vier Pfosten ruhendes Bett, burgunderrote Vorhänge und das gleiche Durcheinander wie das letzte Mal, als sie das Zimmer gesehen hatte.
Er hielt zwei rechteckige Koffer in der Hand, die sie sofort erkannte. Es waren die gleichen, die er nach Longstaple mitgebracht hatte; damals hatte er darauf bestanden, dass niemand sie berühren dürfe. Jetzt reichte er ihr einen, völlig unbekümmert. »Wir nehmen sie mit zu ihm hinauf.«
Hinter ihm aus dem Zimmer erklang die Stimme eines verzweifelten Kammerdieners, der ihn beschwor: »Aber, Sir, Ihre Kleidung … und Ihre Stiefel!«
Henry blickte an sich herunter, als sähe er jetzt erst, dass er über und über mit Schlamm bespritzt war. »Oh, Sie haben recht. Ich glaube, ich habe den Schmutz schon genügend im ganzen Haus verteilt.« Er blickte Emma an. »Gehen Sie schon mal vor, ich komme nach, sobald ich kann.«
Sie schüttelte den Kopf und gab ihm den Koffer zurück. »Ich würde ihm das niemals geben, ohne dass Sie dabei sind. Aber ich wäre gern dabei, um zu sehen, wie er reagiert.«
»Natürlich, das sollen Sie auch. Nun gut. Geben Sie mir zwanzig Minuten.«
Sein Kammerdiener protestierte: »Eine halbe Stunde, mindestens!«
Henry verdrehte die Augen. »Also gut, eine halbe Stunde. Wir treffen uns vor Adams Tür, ja?«
»Ich freue mich darauf«, sagte sie gelassen, obwohl sie innerlich so aufgeregt war wie ein Mädchen an seinem Geburtstag, das mit einem ganz besonderen Geschenk rechnet.
Er lächelte sie an und ihre Euphorie vervielfachte sich ins Unendliche.
Emma schwebte den Flur hinunter. An der Treppe sah sie überrascht, dass Lizzie sich dort versteckte.
Das Mädchen spähte über Emmas Schulter und warf der zweifellos erröteten Emma dann einen bedeutungsvollen Blick zu. »Ich habe gesehen, dass du mit Henry gesprochen hast. Was macht ihr beiden hier oben?«
»Hmmm?«, murmelte Emma. »Ach, gar nichts.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen und wechselte das Thema. »Hast du deine Hände sauber bekommen?«
Lizzie sah sie neugierig an, doch Emma gelang es, wieder ein gleichmütiges Gesicht zu machen. Sie mied den forschenden Blick des Mädchens und nahm eine ihrer Hände, um sie zu inspizieren.
»Sie sind sauber«, sagte Lizzie und zog sie zurück. Dann ballte sie die Hand zur Faust, als wollte sie die beanstandeten Fingernägel ihrem Blick entziehen. Verlegen sagte sie: »Es war nur ein bisschen Rouge.«
»Aha.« Emma verstand. Sie hob das Kinn. »Du willst nicht, dass das auf dein weißes Kleid abfärbt.«
»Nein«, stimmte Lizzie ihr zu. »Sag niemandem was davon, ja?« Dann kicherte sie leise. »Er soll denken, dass ich von Natur aus so hübsch bin.«
»Wer?«
»Alle natürlich!« Lizzie lachte.
Sie war wirklich etwas ganz Besonderes. Emma war eher an junge Männer gewöhnt, mit ihrem unkomplizierteren Verhalten und ihrer Lässigkeit – obwohl es natürlich immer Ausnahmen gab. Henry Weston fiel ihr ein. Nein, er war nicht lässig gewesen, kein einfacher Hausgenosse.
Emma hoffte, dass Lizzie nun, da ihre Neugier befriedigt war, gehen würde. Doch das Mädchen blieb, wo sie war, und fragte: »Und was machst du jetzt?«
Noch bevor Emma antworten konnte, schallte
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