Die Todesspirale
elegant auszusehen. Sie presste den Teddy und den Waschbären fester an sich und schrie beinahe:
«Es muss euch doch klar sein, wie wahnsinnig wichtig die Schlittschuhe sind! Wer Noora umgebracht hat, wusste, dass sie eine Mordwaffe bei sich hatte. Es muss jemand gewesen sein, der sie kannte!»
«Seit der WM in Edmonton wissen ziemlich viele, wie Noora aussah», antwortete ich, obwohl ich selbst bereits die gleiche Überlegung angestellt hatte. «Es ist durchaus möglich, dass der Täter ein Fremder war, der Noora erkannt hat.
Und dass sie Schlittschuhe bei sich hatte, war nicht schwer zu erraten, da sie vom Training kam.»
«Aber wie hätte ein Fremder sie dazu bringen sollen, ihm ihre Schlittschuhe zu geben? Nein, ich kann mir vorstellen, wie es abgelaufen ist.» Silja putzte sich erneut die Nase, bevor sie fortfuhr. «Noora hatte sich einen sehr tiefen Hohl-schliff machen lassen, weil sie damit bei der Todesspirale einen scharfen, flachen Bogen laufen konnte. Wir alle haben uns die Kufen gestern in der Halle angesehen. Jemand muss Noora auf dem Heimweg gebeten haben, ihm die Schlittschuhe zu zeigen. Jemand, dem sie vertraute …»
Sie brach wieder in Tränen aus, ihre Worte waren kaum zu verstehen. «Statt sie sich anzusehen, hat der Kerl die Schlittschuhe genommen und auf Noora eingeschlagen …» Sie vergrub ihr Gesicht im Fell des Waschbären. Koivu sah mich fragend an, er war offenbar dafür, das Band anzuhalten und die Vernehmung zu beenden. Terttu Taskinen kam herein, sagte jedoch nichts, sondern setzte sich zu ihrer Tochter und legte die Arme um sie.
«Wir hören jetzt auf, Silja. Ich werde deine Theorie in Betracht ziehen, aber du solltest nicht weiter grübeln, ob Nooras Mörder etwas mit deiner Mannschaft zu tun hat. Wahrscheinlich war es jemand anders. Du hast dich tapfer gehalten», sagte ich und klopfte ihr vorsichtig auf die zuckende Schulter.
Dann sprach ich die obligatorischen Schlussworte aufs Band und winkte Koivu zum Aufbruch.
«Eins noch», sagte Silja, als wir gerade gehen wollten.
«Noora ist endgültig ausgeflippt, als sie die Stoffbeutel nicht fand, offenbar hatte ihre Mutter sie versehentlich über die alten Schlittschuhe gezogen. Weil die Schuhe zwischen allen anderen Sachen in ihrer Tasche lagen, musste sie die Plastikschoner über die Kufen ziehen. Sie hatte Angst, dass die neuen Schlittschuhe sofort Rost ansetzen.»
Plastikschoner sind weich und porös, ideal für Fingerabdrücke. Wo waren sie abgeblieben?
Auf der Rückfahrt war Koivu ungewöhnlich still.
«Hast du Silja schon einmal auf dem Eis gesehen?», druckste er schließlich.
«Ja, im Fernsehen und auch live. Mir gefällt ihr Stil. Viele Eiskunstläuferinnen sind mir zu kitschig, aber Silja hat Feu-er.»
«Und dabei sieht sie aus wie diese Fürstin von Monaco in jüngeren Jahren.»
«Du hast Recht! Sie ähnelt Grace Kelly in ‹Das Fenster zum Hof›. Aber sie ist zehn Jahre jünger als du, Koivu.»
«Na und? Das Alter ist doch nicht so wichtig», meinte er und wurde rot. Er schien sich tatsächlich in Silja verguckt zu haben.
«Hat sie etwas mit diesem Janne Kivi?», fuhr er fort. «Ich meine nur, wenn Noora vielleicht eifersüchtig war, und weil Silja so besorgt um ihn ist …» Koivu kam ins Stottern, doch seine unbeholfenen Fragen waren in all dieser Trübsal geradezu erfrischend. Es regnete schon wieder, die graue Wolkendecke lag fast in Baumhöhe, dünne Tropfen schlugen gegen die Windschutzscheibe.
«Ich habe nichts dergleichen gehört, meines Wissens ist Silja noch frei. Du darfst ihr das Vernehmungsprotokoll zum Unterschreiben bringen, okay?»
Koivu wurde noch eine Spur röter, ich zerstrubbelte ihm schwesterlich die Haare. Dann rief ich Antti an, um ihm zu sagen, dass ich frühestens in ein paar Stunden nach Hause kommen würde.
«Etwas Schlimmes?», fragte er vorsichtig. Er wusste, dass ich nicht gern über dienstliche Dinge sprach.
«Ein Mord.»
Antti seufzte. Bisher hatte er sich nicht getraut, mir offen zu sagen, wie viel Angst ihm mein Beruf seit dem Tod meines Kollegen machte. Natürlich bangte er auch um das Kind, das ich in mir trug. Ich wusste nicht recht, was ich von seinen Ängsten halten sollte. Sicher, ich handelte oft unbedacht, und natürlich musste eine Frau im siebten Monat auch auf ihr Kind Rücksicht nehmen. Aber während der Schwangerschaft auf Alkohol zu verzichten, war etwas anderes, als psychisch belastende Aufgaben auf die Kollegen abzuwälzen.
Und ich wollte mich nicht
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