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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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gesehen.
    Im Laufe des
Morgens kam die halbe Stadt, um sich Merthins erstaunliche neue Maschine
anzuschauen. Caris platzte geradezu vor Stolz auf ihn. Elfric stand daneben und
erklärte jedem, der fragte, den Mechanismus, um selbst das Lob für Merthins
Arbeit einzuheimsen.
    Caris konnte über
so viel Dreistigkeit nur staunen. Elfric hatte Merthins Tür zerhauen — ein Akt
der Gewalt, der ganz Kingsbridge in Wut und Bestürzung versetzt hätte, wäre
diese Untat nicht vom Einsturz der Brücke überschattet worden. Obendrein hatte
er seinen Lehrling
mit einem Stock geschlagen: Merthin hatte immer noch einen Bluterguss im
Gesicht. Und schließlich war Elfric an einem arglistigen Täuschungsmanöver
beteiligt mit dem Ziel, Merthin zu zwingen, dass er Griselda heiratete und das
Kind eines anderen aufzog. Dennoch hatte Merthin weiter mit Elfric gearbeitet,
denn er war der Überzeugung, dass ihr Streit hinter der Not der Stadt zurückstehen
müsse. Doch Caris wusste beim besten Willen nicht, wie Elfric noch hoch
erhobenen Hauptes durch die Gegend laufen konnte.
    Die Fähre war ein
Wunder der Technik, aber sie reichte nicht aus.
    Edmund wies darauf
hin: Am anderen Ufer stauten sich Wagen und Menschen die ganze Vorstadt
hindurch. Die Schlange zog sich hin, so weit das Auge reichte.
    »Mit zwei Ochsen
würde es schneller gehen«, sagte Merthin.
    »Doppelt so
schnell?«
    »Nicht ganz, nein.
Ich könnte aber noch eine Fähre bauen.« »Es gibt schon eine zweite«, sagte
Edmund und deutete auf den Fluss.
    Er hatte recht: lan
Boatman ruderte Fahrgäste von einem Ufer zum anderen. Aber lan konnte natürlich
keine Karren an Bord nehmen, und Vieh wollte er nicht befördern; außerdem
verlangte er zwei Pennys pro Überfahrt. Normalerweise konnte er sich kaum
seinen Lebensunterhalt verdienen. Zweimal am Tag fuhr er einen Mönch nach Leper
Island, ansonsten aber hatte er kaum zu tun.
    Heute jedoch
standen die Leute Schlange, um mit ihm zu fahren.
    Merthin sagte: »Ihr
habt recht. Eine Fähre ist eben keine Brücke.« »Das ist eine Katastrophe«,
sagte Edmund. »Buonaventuras Neuigkeiten waren ja schon schlimm genug, aber das
… das könnte der Stadt das Genick brechen.« »Dann braucht Ihr eine neue Brücke.«
»An mir liegt es nicht, sondern an der Priorei. Der Prior ist tot, und niemand
vermag zu sagen, wie lange die Mönche brauchen werden, um einen neuen zu
wählen. Wir werden den amtierenden Prior wohl unter Druck setzen müssen, eine
Entscheidung zu treffen.
    Ich werde zu Carlus
gehen. Komm mit, Caris.« Sie gingen die Straße hinauf und in die Priorei. Die
meisten Besucher mussten sich zuerst ins Hospital begeben und einem der Diener
dort sagen, dass sie mit einem der Mönche zu sprechen wünschten; doch Edmund
war viel zu bedeutend — und zu stolz —, als dass er auf diese Art um eine
Audienz gebettelt hätte. Der Prior war der Herr von Kingsbridge, Edmund jedoch
war der Älteste des Gemeinderates, der Sprecher der Händler, die die Stadt erst
zu dem machten, was sie war, und er hatte den Prior stets als Gleichgestellten
bei der Verwaltung der Stadt behandelt. Außerdem war der Prior während der
vergangenen dreizehn Jahre sein jüngerer Bruder gewesen. Also ging Edmund
geradewegs in das Haus des Priors auf der Nordseite der Kathedrale.
    Das Haus des Priors
war ein Fachwerkgebäude mit einer Halle und einer Stube im Erdgeschoss und zwei
Schlafgemächern oben.
    Eine Kochstube gab
es nicht, denn die Mahlzeiten des Priors wurden in der Klosterküche zubereitet.
Viele Bischöfe und Prioren lebten in Palästen — der Bischof von Kingsbridge
hatte einen solchen Prunksitz in Shiring —, doch der Prior von Kingsbridge
wohnte bescheiden. Allerdings hatte er bequeme Stühle; Wandteppiche mit
biblischen Szenen zierten die Wände, und es gab einen großen Kamin, der das
Haus im Winter gemütlich machte.
    Caris und Edmund
trafen am Vormittag ein, zu der Zeit, da die jüngeren Mönche arbeiten und die
älteren lesen sollten. Edmund und Caris fanden den blinden Carlus in der Halle
des Priorspalasts im Gespräch mit Simeon, dem Schatzmeister. »Wir müssen über
die neue Brücke reden«, sagte Edmund ohne Umschweife.
    »Na gut, Edmund«,
sagte Carlus, der ihn an der Stimme erkannte. Die Begrüßung war nicht gerade
warm, bemerkte Caris, und sie fragte sich, ob sie wohl zu einer ungünstigen
Zeit erschienen waren.
    Edmund war genauso
empfindsam wie seine Tochter, was die

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