Die Tore der Welt
ist
Griselda?«
»Noch im Bett.«
Merthin rief die
Treppe hinauf: »Griselda! Ich will mit dir reden!«
Elfric sagte:
»Dafür ist keine Zeit. Es gibt Arbeit.« Wieder beachtete Merthin ihn nicht.
»Griselda! Du solltest jetzt aufstehen!«
»He!«, sagte
Elfric. »Für wen hältst du dich, dass du hier Befehle erteilst?« »Ihr wollt
doch, dass ich sie heirate, oder?« »Ja, und?«
»Dann sollte sie
sich daran gewöhnen, ihrem Mann zu gehorchen.« Merthin hob erneut die Stimme.
»Komm sofort runter, sonst musst du dir von jemand anderem anhören, was ich zu
sagen habe!« Griselda erschien oben an der Treppe. »Ich komme ja schon!«,
maulte sie. »Was soll das Geschrei?« Merthin wartete kurz, bis sie herunter gekommen
war, und sagte dann: »Ich habe herausgefunden, wer der Kindsvater ist.« Angst
flackerte in Griseldas Augen auf.
»Sei nicht dumm. Du
bist das.« »Nein, es ist Thurstan.«
»Ich habe nie bei
Thurstan gelegen!« Griselda schaute ihren Vater an. »Wirklich nicht!«
Elfric sagte: »Sie
spricht die Wahrheit.« Alice kam aus der Küche.
»Das stimmt«,
bestätigte sie.
Merthin sagte: »Ich
habe am Sonntag der Wollmarktwoche bei Griselda gelegen, vor fünfzehn Tagen.
Griselda ist aber schon im dritten Monat schwanger.«
»Bin ich nicht!«
Merthin schaute
Alice scharf an. »Du hast es gewusst, nicht wahr?« Alice wandte sich ab.
Merthin fuhr fort: »Und doch hast du gelogen … selbst vor Caris, deiner
eigenen Schwester.«
»Woher willst du
wissen, im wievielten Monat sie schwanger ist?«, fragte Elfric.
»Schaut sie euch
an«, erwiderte Merthin. »Ihr könnt die Wölbung an ihrem Bauch bereits sehen. Es
ist nicht viel, aber es ist da.«
»Was verstehst du
schon von solchen Dingen? Du bist nur ein Junge.« »Ja, ja, ihr habt alle auf
meine Unwissenheit gezählt, nicht wahr? Um ein Haar hätte es auch geklappt.«
Elfric wedelte mit dem Finger. »Du hast bei meiner Griselda gelegen, und nun
wirst du sie heiraten!« »O nein, das werde ich nicht. Sie liebt mich nicht. Sie
hat sich mir an den Hals geworfen, um einen Vater für ihr Kind zu bekommen,
nachdem Thurstan das Weite gesucht hat. Ich weiß, dass es falsch war, was ich
getan habe, aber ich werde mich nicht für den Rest meines Lebens bestrafen,
indem ich Griselda heirate.« Elfric stand auf. »Doch, das wirst du.«
»Nein.«
»Du musst.«
»Nein.«
Elfrics Gesicht
lief puterrot an, und er schrie: »Du wirst sie heiraten!« Merthin erwiderte:
»Wie oft soll ich noch Nein sagen?«
Elfric erkannte,
dass er es ernst meinte. »In dem Fall bist du entlassen«, sagte er.
»Verschwinde aus meinem Haus, und komm nie wieder zurück.« Merthin hatte nichts
anderes erwartet, und es war eine Erleichterung. Das bedeutete das Ende des
Streits. »In Ordnung.« Er versuchte, an Elfric vorbeizugehen.
Elfric versperrte
ihm den Weg. »Wo willst du hin?« »In die Küche, meine Sachen holen.«
»Deine Werkzeuge,
meinst du?«
»Ja.«
»Die gehören nicht
dir. Ich habe für sie bezahlt.« »Einem Lehrling wird am Ende seiner Lehrzeit
immer … « Merthin verstummte.
»Du hast deine
Lehre aber nicht beendet; deshalb wirst du deine Werkzeuge auch nicht
bekommen.«
Damit hatte Merthin
nicht gerechnet. »Ich habe Euch sechseinhalb Jahre gedient!«
»Du solltest aber
sieben dienen.«
Ohne Werkzeuge
konnte Merthin sich seinen Lebensunterhalt nicht verdienen. »Das ist nicht
gerecht! Ich werde mich an die Zimmermannszunft wenden!«
»Da freue ich mich
schon drauf«, entgegnete Elfric spöttisch.
»Sie werden
staunen, wenn sie erfahren, dass ein Lehrling, der bei der Tochter seines
Meisters gelegen hat, dafür auch noch mit einem Satz Werkzeuge belohnt werden
will! Die Zunftmitglieder haben allesamt Lehrlinge, und die meisten auch
Töchter. Sie werden dir in den Arsch treten.«
Merthin erkannte,
dass Elfric recht hatte.
Alice sagte: »Da
hast du´s. Jetzt steckst du in echten Schwierigkeiten.« »Ja«, sagte Merthin,
»aber was immer auch geschieht, es wird nicht so schlimm sein wie ein Leben mit
Griselda und ihrer Familie.«
Für den Nachmittag
desselben Tages war die Totenfeier für Howell Tyler in der Kirche St. Mark
angesetzt. Sämtliche Bauhandwerker der Stadt kamen zur Beerdigung, einschließlich
Elfric. Auch Merthin ging dorthin, in der Hoffnung, dass ihm dort vielleicht jemand
Arbeit geben würde. Er versuchte, nicht verschämt dreinzuschauen, doch es fiel ihm
schwer. Man hatte
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