Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
ging.
    Als Caris sicher
war, dass Philippa sie nicht mehr hören konnte, ließ sie ihren Tränen freien
Lauf.
----

KAPITEL 78
    Als Prior war
Philemon nicht so tüchtig wie Godwyn. Er war mit der Aufgabe, die Mittel der
Priorei zu verwalten, schlichtweg überfordert, obwohl er auf Caris‘
Aufzeichnungen hätte zurückgreifen können. Während ihrer Zeit als amtierender
Prior hatte sie eine Liste der wichtigsten Einkommensquellen des Mönchsklosters
aufgestellt:
     
    1. Pachten
    Anteil des Gewinns
aus Handel und Gewerbe (Zehnt) Ernteerträge von unverpachtetem Land Gewinn aus
Getreide- und anderen Mühlen Flusswegmaut und Anteile an gefangenem Fisch
Standgeld auf Märkten
    Einkünfte aus der
Rechtsprechung — Gebühren und Strafen
     
    Fromme Geschenke
von Pilgern und anderen Verkauf von Büchern, Weihwasser, Kerzen etc.
     
    Sie hatte Philemon
die Liste überreichen wollen, doch er hatte sie zurückgewiesen, als hätte sie
ihn damit beleidigt. Caris wusste, dass Godwyn geschickter reagiert hätte: Er
hätte ihr gedankt und ihre Liste dann in der Bibliothek verschwinden lassen.
    Im Konvent hatte
Caris eine neue Methode der Buchführung eingeführt, die sie von Buonaventura
Caroli erlernt hatte, als sie noch für ihren Vater im Wollhandel arbeitete. Die
alte Methode bestand darin, dass man sich zu jeder Transaktion eine kurze Notiz
auf einem Pergament machte — einen Eintrag, den man später immer wieder
nachlesen konnte. Das italienische System bestand darin, Einnahmen auf der
linken und Ausgaben auf der rechten Seite niederzuschreiben und am unteren Rand
der Seite zu addieren. Die Differenz zwischen beiden Summen zeigte, ob man Geld
hinzu gewann oder einbüßte. Schwester Joan hatte die Idee begeistert
aufgegriffen, doch als Caris sich erbot, sie Philemon zu zeigen, wies der sie
barsch ab: Hilfsangebote betrachtete er als Zweifel an seiner Tüchtigkeit, wenn
nicht gar als Herabsetzung seiner Fähigkeiten.
    Philemon besaß nur
eine einzige herausragende Begabung — ein Talent, das auch Godwyn besessen
hatte: das Gespür, wie man Menschen so beeinflusste, dass sie einem dienlich
waren. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf hatte Philemon sich inzwischen ein
Bild von den neuen Mönchen gemacht und sich von denen befreit, die er als
schwierig betrachtete: den einen der beiden Ärzte, Bruder Austin, der allem
Neuen aufgeschlossen war, sowie zwei andere kluge junge Männer. Er hatte sie
nach St.-John-in-the-Forest gesandt, wo sie zu weit weg waren, um seine
Autorität infrage zu stellen.
    Doch Philemon war
nun Sache des Bischofs. Henri hat ihn ernannt, sagte sich Caris, also soll
Henri sich auch mit ihm abplagen. Kingsbridge besaß nun die Stadtrechte und
Caris ihr neues Hospital.
    Das Hospital sollte
am Pfingstsonntag, wie stets sieben Wochen nach Ostern, vom Bischof geweiht
werden. Wenige Tage zuvor brachte Caris ihre Gerätschaften und Vorräte in die
neue Apotheke. Diese bot genügend Platz, dass zwei Personen am Tisch arbeiten
und Arzneien bereiten konnten, während eine dritte am Schreibpult saß.
    Caris mischte ein
Brechmittel; Oonagh zerrieb getrocknete Kräuter, und eine Novizin namens Greta
kopierte Caris‘ medizinischen Ratgeber, als ein Novize mit einer kleinen
Holztruhe hereinkam. Er hieß Josiah, doch man rief ihn gewöhnlich Joshie. In
Gegenwart dreier Frauen war er verlegen. »Wo soll ich das hinstellen?«, fragte
er.
    Caris blickte ihn
an. »Was ist das?« »Eine Truhe.« »Das sehe ich selbst«, sagte sie geduldig.
dass jemand in der Lage war, Lesen und Schreiben zu lernen, machte noch keinen
klugen Menschen aus ihm.
    »Was ist darin?«
»Bücher.«
    »Und warum bringst
du mir eine Truhe Bücher?« »Es wurde mir befohlen.« Nach einem Augenblick
begriff Joshie, dass die Antwort nicht ausreichend viel verriet, und fügte
hinzu: »Von Bruder Sime.«
    Caris hob die
Brauen. »Bruder Sime schenkt mir Bücher?« Sie öffnete die Truhe.
    Joshie machte sich
davon, ohne die Frage beantwortet zu haben.
    In der Truhe lagen
medizinische Lehrbücher, allesamt auf Latein.
    Caris sah sie
durch. Es waren durchweg Klassiker: Der Canon medicinae des Avicenna, De victu
salubri von Hippokrates, Departibus artis medicae von Galen und De Urinis von
Isaak Judaeus. Jedes dieser Werke war vor wenigstens dreihundert Jahren
verfasst worden.
    Joshie kam mit
einer weiteren Truhe. »Was denn nun?«, fragte Caris.
    »Medizinische
Instrumente. Bruder Sime sagt, Ihr sollt

Weitere Kostenlose Bücher