Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
herabhängenden Haaren über ihn, keuchend und mit feuchten Strähnen im Gesicht und bei jedem Atemzug zitternden Brüsten, bewusstlos für die Welt. Er hatte gedacht, dass schon der Sex mit Inés gut gewesen war, dass es zwischen ihnen heftig gelodert hatte, aber nun wurde ihm klar, dass sie immer etwas Distanziertes und Zurückhaltendes gehabt hatte, als ob sie sich nicht bis an den animalischen Rand ihres Wesens vorgewagt hätte. Irgendetwas in ihrem Kopf musste ihr gesagt haben, dass man sich einfach nicht so gehen ließ.
Stimmte das? Oder war es das, was der Verstand einem einflüsterte, wenn man sich zu einer anderen, einer neuen Frau hingezogen fühlte? Dass die alte nicht viel hergemacht hatte? Vielleicht redete sich das auch Calderón jetzt ein. Vielleicht hatte er gesehen, dass es mit Inés nichts von der Abwechslung gab, von der Isabel Cano gesprochen hatte. Inés war schön, klug und attraktiv, aber ihr gemeinsamer Weg war vorgezeichnet. Und genau in diesem Moment, als das Handy in seiner Tasche gerade zu vibrieren begann, merkte Falcón, dass es vorbei war. Es ging ihn nichts mehr an. Es war ohne Belang für ihn. Inés und Calderón und was ihnen in ihrem erbärmlichen kleinen Leben widerfahren mochte, waren ihm scheißegal. Er konnte die Befreiung geradezu körperlich spüren, eine Spannung, die sich löste, gesprengte Fesseln. Er sah sich grinsend um und registrierte die großartige Gleichgültigkeit des gesamten Cafés, bevor er Alicia Aguados Anruf entgegennahm, die wissen wollte, wo zum Teufel er blieb.
Weil er nicht zu einer Therapiestunde kam, begrüßten sie sich mit einem Kuss auf die Wangen, und ihr fiel die Veränderung an ihm sofort auf.
»Sie sind glücklich«, sagte sie.
»Ein paar Dinge haben sich gefügt.«
»Sie hatten Sex.«
»Ich glaube nicht, dass Sie mir das wirklich ansehen können«, sagte er. »Außerdem ist dies kein offizieller Termin.«
Sie fuhren nach Santa Clara, um Pablo Ortega zu treffen, doch ihr Klingeln blieb unbeantwortet. Falcón bemerkte, dass das Gartentor offen stand, und hustend kämpften sie sich durch den Gestank. Aguado hielt Falcóns Ellenbogen gefasst, und er führte sie zur Küche auf der Rückseite des Hauses. Obwohl es schon nach elf Uhr war, war Ortega nirgends zu sehen.
»Wahrscheinlich führt er die Hunde aus«, sagte Falcón. »Wir setzen uns in den Schatten am Pool und warten auf ihn.«
»Ich weiß nicht, wie er mit diesem Gestank leben kann.«
»Keine Sorge, drinnen riecht man es nicht. Er hat den betreffenden Teil des Hauses versiegeln lassen.«
»Allein jeden Tag auf dem Weg ins Haus da durch zu müssen würde mich in den Selbstmord treiben.«
»Nun, Pablo Ortega ist auch kein wirklich glücklicher Mensch.«
Er ließ sie an einem Tisch am Pool Platz nehmen und ging zum anderen Ende des Beckens, wo er sich auf das kleine Sprungbrett stellte und nach unten blickte. Auf dem Grund lag ein Sack. Neben dem Pool fand er eine Stange mit einem Haken am anderen Ende.
»Was machen Sie da, Javier?«, fragte Alicia, beunruhigt von seinem stummen Herumhantieren.
»Auf dem Grund des Swimmingpools liegt ein Sack.«
Der Sack war so schwer, dass Falcón ihn am Beckenrand entlang bis zum flachen Ende des Pools schieben musste, wo er ihn aus dem Wasser zog. Falcón löste die Schnur und hielt entsetzt die Luft an, als er den grausigen Inhalt sah.
»Was ist?«, rief Alicia, die aufgesprungen und ein wenig in Panik geraten war.
»Es sind Pavarotti und Callas«, sagte Falcón. »Ortegas Hunde. Das sieht nicht gut aus.«
»Jemand hat seine Hunde ertränkt?«, fragte sie.
»Nein«, sagte er. »Ich glaube, er hat seine Hunde selbst ertränkt.«
Falcón sagte ihr, dass sie am Pool sitzen bleiben sollte, und machte sich daran, die geschlossene, aber unverriegelte Küchentür aufzubekommen. Der Gestank der Jauchegrube schlug ihm entgegen. Auf dem Tisch standen zwei leere Flaschen Torre Muga. Im Wohnzimmer fand er eine weitere leere Weinflasche und die Kiste Cohibas, von denen Ortega ihm gestern Abend eine angeboten hatte. Kein Glas. Der Gestank ungeklärter Abwässer war intensiver als je zuvor, und Falcón bemerkte, dass die Versiegelung der anderen Haushälfte aufgebrochen worden war. Die Tür zum Flur stand offen, die zu dem Zimmer mit dem Riss über der Jauchegrube war nur angelehnt.
Im Flur lag ein leeres Fläschchen Nembutal ohne Verschluss. Er stieß die Tür auf. Entlang der teilweise abgesackten Wand lagen Bretter und Plastikplanen. Arbeiter
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