Die Traene des Drachen
Aufstand geredet. Am Morgen wurde sie dann Zeuge, wie König Roghan einen Trupp Krieger zum Außenlager am Nalua-See schickte, um von dort zweitausend Mann nach Moray verlegen zu lassen, die in der Stadt und im Umland für Ruhe und Ordnung sorgen sollten.
„ An Finlays Erzählungen hat mich am meisten verwundert, wie dieser seelenlose Kerl Euch noch rechtzeitig aufgefangen hat, bevor Ihr bewusstlos auf dem Boden aufgeschlagen wärd. Das hätte ich ihm niemals zugetraut. Außerdem hat er mir erzählt, dass er wie wild die Pferde des Wagens angetrieben hat, um Euch möglichst schnell aus der Stadt zu bringen. Wer hätte das gedacht? An dem Tag, an dem er Euch nach Moray gebracht hat, machte er den Eindruck auf mich, als bereite es ihm die größte Freude, Euch zu quälen und Schmerzen zuzufügen.“
Elea enthielt sich jeglichen Kommentars über Maéls verändertes Verhalten, sondern malte sich aus, was Maél in der vergangenen Nacht, als er auf dem Stuhl neben dem Bett saß, wohl gemacht hatte. Hatte er sie nur angesehen? Oder hatte er sie gestreichelt oder sogar geküsst? Ihr fiel mit einem Mal ein, dass sie splitternackt unter der Decke war, was zweifelsohne seinen Luchsaugen nicht entgangen war. In ihr Gesicht schoss auf einmal eine Hitze und ein heißer Schauder durchströmte wellenartig ihr Innerstes. Sie war so vertieft in diesen aufregenden Gedanken, dass sie gerade noch Belanas Stimme wahrgenommen hatte, die zu ihr gesprochen zu haben schien. „Verzeiht, Belana, ich war ganz in Gedanken versunken. Was sagtet Ihr gerade?“
„ Ich habe mich laut gefragt, was jetzt aus dem märchenhaften Festkleid werden soll. Keiner hat es gesehen. Und heute Abend ist, glaube ich, nicht unbedingt der geeignete Zeitpunkt, es zu tragen. König Roghan ist alles andere als zum Feiern zumute. Was für ein Jammer!“
„ Belana, es wird sich bestimmt noch eine Gelegenheit bieten, es zu tragen, wenn ich mit dem Drachen wieder vom Akrachón zurückgekehrt bin. Dann wird Roghan bestimmt ein Fest für das ganze Volk veranstalten. Bewahrt es einfach für diesen Anlass für mich auf!“, versuchte Elea die Erste Hofdame aufzumuntern. „Und welches Kleid wollt Ihr heute Abend tragen?“ Elea dachte kurz nach. Dabei hielt sie unbewusst ihren Stein in der Hand. Plötzlich hatte sie eine Idee, vielmehr einen Hoffnungsschimmer. Was wäre, wenn Darrach mir mit seiner schwarzen Magie nicht gefährlich werden kann, solange ich den Stein um den Hals trage? „Belana, ich werde das graue Kleid mit der weißen Bluse darunter tragen. In dem habe ich mich recht wohl gefühlt.“ Der Ausschnitt der Bluse war groß genug, dass ihr Stein etwas zu sehen war. Sie hoffte, dass Darrach dadurch etwas abgeschreckt würde. „Wie Ihr wünscht. Ich werde Euch heute an Eurem letzten Tag in der Kleiderfrage freie Hand gewähren, vorausgesetzt es ist ein Kleid und nicht eine Jungenhose“, sagte sie mit einem Lächeln auf den Lippen.
Belana half Elea noch beim Ankleiden, dann verließ sie die junge Frau. Elea nutzte die Gelegenheit, um ihren Rucksack zu packen. Ihr fiel ein, dass sie noch Verbandsmaterial, schmerzlindernde Kräuter, Wundsalbe und Arnikatinktur benötigte. Deshalb rief sie auf dem Gang nach einer Dienerin und bat sie, diese Dinge für sie zu besorgen. Die dicke Fellkleidung rollte sie mit ihrem Umhang zu einem Bündel zusammen und verschnürte dieses mit einem Lederriemen. Vorerst würde sie die nicht brauchen, so dachte sie zumindest. Als sie jedoch kurze Zeit später das Fenster öffnete, um frische Luft zu schnappen, musste sie feststellen, dass eine dünne Schneeschicht auf den Wegen in dem Schlossgarten lag. Am Himmel hatte sich eine graue, lückenlose Wolkendecke entfaltet, die noch mehr Schnee in den kommenden Tagen erwarten ließ. Als sie so aus dem Fenster schaute, wanderten ihre Gedanken zu ihrem Drachen, der irgendwo im Akrachón-Gebirge auf sie wartete. Sie konnte gar nicht glauben, dass der Tag, an dem sie ihm gegenüberstehen würde, nicht mehr in so weiter Ferne lag. Sie hoffte nur, dass er mehr über ihre Herkunft wusste und dass er vor allem Kenntnisse darüber hatte, wie sie ihre Gaben weiter entfalten und sie besser kontrollieren konnte. Ihr vordringliches Ziel war nach wie vor Darrach unschädlich zu machen, um Maél von dessen grausamem Zauberbann zu befreien. Nur noch einmal schlafen, dann würde sie ihn wiedersehen. Sie konnte es kaum erwarten. Aber erst musste sie noch in die Höhle des Löwen und sich einer strengen
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