Die Träume der Libussa (German Edition)
allein zu diesem Fest
gehen zu lassen, denn du kanntest unsere Sitten nicht. Sicher hast du von den
Tränken gekostet, die angeboten wurden. Sie enthalten Mittel, um die Lust zu
steigern.“
Radegund atmete
erleichtert auf. Slavonik hatte von den Rauschmitteln gewusst.
„Aber dass du
dich gegen meine Familie, meinen Stamm und mein Volk verschworen hast, das
vermag ich nicht zu vergeben“, kam es unerbittlich.
Die Worte
schnitten in ihr Bewusstsein. Sie atmete tief durch, um sich gegen den Schmerz
zu wappnen. „Soll ich wieder nach Regensburg gehen?“, flüsterte sie.
„Nein“,
erwiderte Lidomir. „Du bist meine Gemahlin, und ich darf dich nicht verstoßen.
Doch ich möchte mein Lager nicht mit dir teilen. Ich werde dich hier behalten,
aber du bist für mich eine Fremde geworden.“
Langsam erhob
er sich. Sie glaubte, Tränen in seinen Augen zu sehen.
„Damals, in
Regensburg, da dachte ich ...“, sagte er leise, „ich dachte, wir könnten den
Rest unseres Lebens zusammenbleiben, und darüber war ich froh.“
Er floh aus der
Kammer, als ihm die Stimme versagte.
Radegund rollte
sich auf der Bettstatt zusammen, umklammerte ihre Knie und versuchte, ruhig zu
atmen. Die Erinnerung an ihre ersten Treffen mit Lidomir in Regensburg löste
unerträglichen Schmerz aus. Falls es irgendwelche Götter gab, so machten sie
sich einen Spaß daraus, mit Menschen und deren Träumen hämische Spiele zu
treiben.
Aber war seine
Entscheidung wirklich endgültig? Vielleicht gab es bald einen guten Grund für
ihn, seine Meinung wieder zu ändern.
Sie strich über
ihren Bauch. Der Mond nahm bereits wieder ab, und ihre Blutung hatte nicht
eingesetzt.
„Ein jeder Mann
wünscht sich einen Sohn“, murmelte sie zu ihrer eigenen Beruhigung. „Der
zukünftige Fürst der Behaimen wird mir helfen, die Liebe meines Gemahls erneut
zu gewinnen.“
„Heute im großen Saal“, begann
Libussa zögernd zu sprechen, als die ersten Sonnenstrahlen durch die
Fensteröffnung drangen und Premysl die Augen aufschlug, „als ich sagte, ich
wolle mein Amt niederlegen, da meinte ich es ernst.“
Er fuhr mit der
Hand über sein müdes Gesicht. Auch sein Schlaf musste kurz und ruhelos gewesen
sein, denn sie sah Schatten unter den vertrauten braunen Augen.
„Du dachtest,
es gäbe keine andere Möglichkeit“, murmelte er, „Aber ich habe sie gefunden.
Wenn unser Volk Mnata nicht anerkennen will, nachdem Gundolf die Stimmung gegen
ihn vergiftet hat, muss ich eine Weile seine Aufgaben übernehmen. Sobald sich
die Leute wieder beruhigt haben, trete ich zurück und Mnata wird Stammesführer.
Du bleibst die Hohe Priesterin unseres Volkes und Fürstin der Tschechen. Dieses
ganze Gerede gegen Frauen, das hat doch wirklich niemand ernst genommen.“
Er drückte ihre
Hand und versuchte wieder einzuschlafen.
„Premysl.“
Es war nicht
der richtige Moment. Doch wenn sie auf den günstigen Zeitpunkt wartete, konnten
noch Jahre vergehen. Falls ihr überhaupt so viel Zeit blieb.
„Premysl, ich
möchte zurücktreten. Es ist das Beste für mein Volk“, beharrte sie. Er seufzte.
„Es war
schrecklich, was heute geschah. Aber daran trägst du keine Schuld. Wir müssen
um den Erhalt unserer Traditionen kämpfen.“
Libussa fuhr
auf. „Vielleicht ist es dazu zu spät. Die Welt um uns herum hat sich verändert.
Bereits meine Mutter musste gegen die Anfeindungen von Männern angehen. Ich
habe es ebenso getan, doch jetzt bin ich zu schwach. Uns droht Gefahr. Wenn
Slavonik sich mit dem Frankenkönig verbündet, sind wir verloren.“
Premysl rieb
sich erneut die Augen und sagte: „Das hat nichts damit zu tun, ob ein Mann oder
eine Frau über uns herrscht. Frederik meint, dass Gundolf Slavonik leere
Versprechungen gemacht hat.“
„Vielleicht
jetzt. Doch sobald er die Awaren besiegt hat, kann König Karl gegen uns losschlagen.“
Er strich ihr
beruhigend über den Arm.
„Wir müssen
abwarten, was geschieht, und der Gefahr ins Auge sehen. Uns auf einen möglichen
Angriff vorbereiten. Jetzt können wir Slavonik besiegen, denn noch ist er
allein.“
„Er hat Neklan
von den Lemuzi auf seiner Seite und vielleicht noch ein paar andere Stämme.
Wenn wir untereinander Krieg führen, sind wir ein leichtes Opfer für die
Franken. Slavoniks Gerede gegen die Weiberherrschaft hat ihm einige
Unterstützung eingebracht, scheint mir.“
Premysl schüttelte
den Kopf. „Er wird ebenso gegen mich reden, weil ich ein Bauer bin. In Wahrheit
strebt er selbst nach
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