Die Trinity Verschwörung
ungleich eindrucksvollere Erscheinung; in seinem festen, humorlosen Blick meinte Gaddis die unbeugsame Festigkeit des Karrierespions zu erkennen, der null Toleranz gegenüber Dummköpfen kannte. Er erinnerte sich, wie aufgebracht Wilkinson gewesen war, als er das Telefongespräch beendet hatte – Sie Vollidiot. Ich möchte Sie bitten, mich hier nie wieder anzurufen –, und wusste, dass er allen seinen Charme und seine Beredsamkeit benötigen würde, um ihn zum Reden zu bringen.
Die Zeremonie dauerte eine Dreiviertelstunde, mehr als genug Zeit für Gaddis, sich eine geeignete Strategie zurechtzulegen. Von einem kurzen Gespräch mit Annie wusste er, dass das Hochzeitsmahl um fünf Uhr beginnen sollte. Natürlich war für ihn kein Tischkärtchen aufgestellt, was nichts anderes bedeutete, als dass er im besten Fall noch eine Stunde hatte, ehe Wilkinson für mindestens fünf Stunden zu Reden, Wiener Schnitzel und Disco-Dancing hinter den Türen verschwunden sein würde. Also begab er sich um kurz nach vier hinaus in den klaren Sonnenschein im Park. Kath war an seiner Seite, in strahlendem Kanariengelb, und redete darüber, was es doch » für ein strenger Gottesdienst war, und das, wohlgemerkt, obwohl die beiden mit der Kirche nicht allzu viel am Hut haben«. Derweil wurden die frischgebackenen Eheleute Drechsel auf der Treppe zum Kursalon fotografiert, zwischenzeitliche Gesten der Zuneigung wurden von den um sie versammelten Angehörigen und Freunden mit Jubel und Hochrufen quittiert.
» Ach, ist das schön«, sagte Kath, nachdem sie einen der Küsse mit der Kamera ihres Handys eingefangen hatte. » Sie sehen so verliebt aus, Sam, findest du nicht? Sieht Cath nicht wunderschön aus?«
Robert Wilkinson stand ein paar Schritte neben der Braut, bewusst jeden Blickkontakt mit einer Frau vermeidend, die Gaddis für seine Exfrau hielt. Eine abgezehrte Greisin von mindestens achtzig Jahren, das Gesicht aufgequollen von Kollagen und zugekleistert mit Make-up, stand direkt neben ihm und versuchte mit aller Gewalt, ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Wilkinson wirkte gelangweilt. Kath machte noch ein paar Fotos, winkte jemandem zu, der weiter weg stand, und bot Gaddis eine Zigarette an, während sie sich selber im Schatten einer Kastanie eine anzündete.
» Danke, für mich nicht«, sagte er. » Ich geh nur kurz mal wohin. Bin gleich wieder da.«
Er war zu der Überzeugung gekommen, dass es für ihn nur eine sichere Methode gab. Er konnte Wilkinson nicht einfach ansprechen, nicht hier im hellen Tageslicht eines Oktobernachmittags, an dem seine Tochter heiratete und der SIS ihn aus jeder Öffnung des Stadtparks beobachtete. Und wer garantierte ihm, dass Wilkinson nicht einfach den Sicherheitsdienst rief und Gaddis vom Gelände führen ließ. Nein, er musste sich auf einen Dritten verlassen. Er musste ihm eine Nachricht bringen lassen, bevor die Gäste sich zum Hochzeitsmahl setzten.
Zu diesem Zweck suchte er sich eine Toilette im ersten Stock des Kursalons, schloss sich in eine der Kabinen ein und holte Notizbuch und Kugelschreiber heraus. Er begann zu schreiben.
Sehr geehrter Mr. Wilkinson,
ich bin der Mann, der Sie vor zehn Tagen in Ihrem Haus in Neuseeland angerufen hat. Ich entschuldige mich sowohl für meine damalige Taktlosigkeit als auch für die Kontaktaufnahme ausgerechnet am heutigen Tag, aber ich muss mit Ihnen über Katya Levette reden. Ich bin ziemlich sicher, dass sie von Agenten des FSB ermordet worden ist.
Es war eine wilde Behauptung, die so ziemlich jeder Grundlage entbehrte, doch irgendwie musste Gaddis Wilkinsons Aufmerksamkeit gewinnen. Er schrieb weiter, wählte sorgfältig seine Worte.
Inzwischen sind drei weitere Personen mit Verbindungen zu Edward Crane ermordet worden. Eine Journalistin namens Charlotte Berg, der Krankenpfleger Calvin Somers und ein deutscher Arzt namens Benedict Meisner. Somers und Meisner waren 1992 im St. Mary’s Hospital in Paddington dabei, als Sir John Brennan (unter dem Pseudonym Douglas Henderson) Cranes Tod vortäuschte und ihn mit einer neuen Identität ausstattete – Thomas Neame. Ihren Namen habe ich von Ludmilla Tretiak bekommen. Wie Sie wahrscheinlich wissen, wurde auch ihr Ehemann Fjodor vom FSB ermordet, weil er mit Crane in Verbindung stand.
Ich habe ausführliche Gespräche mit Edward Crane selber geführt und plane, mit seinem ausdrücklichen Einverständnis, die Wahrheit über ATTILA zu veröffentlichen. Aus Gesprächen mit Holly weiß ich, dass Sie mit
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