Die Trinity Verschwörung
Ganz nebenbei, wo haben Sie die Unterlagen?«
» Bei mir zu Hause.«
» Zu Hause?« Kurz verließ ihn seine Seelenruhe. » Sicher weggeschlossen, will ich hoffen. In einem Safe oder so etwas.«
Es war sein erster Hinweis auf eine Art Zusammenarbeit. Zweifellos versteckte sich etwas in diesen Unterlagen, etwas von großem Wert für ihn.
» So einen großen Safe gibt es gar nicht«, erwiderte Gaddis in dem Versuch, die Lage zu entspannen. » Die Kartons stehen gestapelt in meinem Wohnzimmer.«
Wilkinson schien sich eine bissige Replik zu verkneifen und sagte in relativ gelassenem Tonfall: » Na, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie noch lange dort stehen werden.«
» Wie kommen Sie darauf? Sie stehen dort seit Wochen. Hätte der SIS Appetit darauf bekommen, wären sie längst in mein Haus eingebrochen.«
Wilkinson schüttelte den Kopf. » Machen Sie sich wegen dem Verein keine Sorgen. Platow ist derjenige, der scharf auf die Akten ist.«
» Platow?« Gaddis beugte sich vor. » Mit Verlaub, aber kaum etwas an diesen Dokumenten ist für irgendjemanden von Interesse, nicht einmal für einen Hochschullehrer. Ich habe nichts über ATTILA darin gefunden und schon gar nichts über Platow.«
» Weil Sie nicht wissen, wonach Sie suchen müssen.«
Gaddis spürte Erregung in sich aufsteigen. Wilkinson schien beschlossen zu haben, sein Wissen preiszugeben.
» Und nach was muss ich suchen?«
Wilkinson antwortete nicht. Er starrte wieder auf das Eis in seinem leeren Whiskyglas. Gaddis schloss daraus, dass er noch einen Drink wollte.
» Noch einen Whisky?«
» Gern.«
Diesmal kostete ihn der Gang an die Bar und zurück an seinen Platz nur fünf Minuten. Die Gruppe der Gäste neben ihrem Tisch, zu der die Amerikanerin gehörte, war angewachsen. Sie benutzten den ihnen zugewandten Teil der Tischplatte bereits als Abstellfläche für Gläser und Bierflaschen. Wilkinson schien die vielen Menschen gar nicht wahrzunehmen; er hätte genauso gut allein in einer Loge in der Oper sitzen können.
» Sie haben recht«, sagte er und schob die Jelzin-Biografie zurück über den Tisch. » Fliegenbeinzählerei.«
Gaddis lächelte. Er stellte die Drinks ab und versuchte, an das unterbrochene Gespräch anzuknüpfen.
» Sie sagten …«
» Was sagte ich?«
» Dass ich die Unterlagen nicht richtig gesichtet hätte. Dass ich nicht wüsste, wonach ich suchen sollte.«
Wilkinson legte den Kopf in den Nacken. » Ja, richtig.« Er schien beinahe überrascht vom Thema der Unterhaltung. Mit dem Handrücken tippte er auf das Umschlagfoto von Boris Jelzin. » Sie haben doch eine Platow-Biografie geschrieben, oder?«
Gaddis trank einen Schluck. » Es handelt sich eher um eine vergleichende Studie über Platow und Peter den Großen, aber …«
Wilkinson ließ ihn nicht ausreden. » Erzählen Sie mir, was Sie über Platows Laufbahn im KGB wissen.«
War das der nächste Test? Gaddis musste sich in Acht nehmen. Wilkinson, Chef des Berliner Stützpunktes in den heißesten Jahren des Kalten Krieges, würde sicher mehr über Platows kurze Liaison mit der geheimen Welt wissen als ein Historiker am UCL .
» Ich weiß, wie ehrgeizig er war«, begann er. » Und dass sein Ehrgeiz enttäuscht wurde. Platow hatte eine weit höhere Meinung von seinen Fähigkeiten als seine Chefs in der Lubjanka.«
» Das ist zweifellos richtig.«
» Er selbst hielt sich für den richtigen Mann für einen der Traumjobs im Westen. Washington. Paris. London. Stattdessen kam er nach Dresden, in ein ostdeutsches Provinzkaff. Ich vermute, dass Sie ihm dort zum ersten Mal begegnet sind.«
Wilkinson schaute auf. Sein schweres, blasses Gesicht war ruhig.
» Was bringt Sie auf den Gedanken, ich könnte ihn gekannt haben?«
» Oh, Sie haben ihn gekannt«, erwiderte Gaddis.
Es war ein Risiko, aber es zahlte sich aus. Nach einem langen Blick auf das Gedränge der Gäste wandte Wilkinson sich ihm mit einem Grinsen zu. Geheimnisse standen ins Haus.
» Platows einzige Trumpfkarte in Ostdeutschland war ATTILA «, begann er, » ein abgetakelter britischer Spion von siebzig Jahren, der im Aufsichtsrat einer Berliner Bank saß. Und er dachte lange und intensiv über sein Leben nach. Er dachte lange und intensiv über seine Karriere nach. Er wusste, dass das Sowjetsystem in den letzten Zügen lag, dass Mütterchen Russland den Kalten Krieg verloren hatte.«
» Das ist nicht die offizielle Sprachregelung.«
» Natürlich nicht.« Wilkinson senkte die Stimme. Trotz des Lärms in
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