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Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Kulbach-Fricke
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Geburt«, bemerkte ich. Hildebrand hob fragend die Augenbrauen. Die Mägde kamen gerade mit dem nächsten Gang und tischten auf, daß die Tafel sich bog: gebratenes Ferkel mit Backpflaumen und Klößen, eingemachtes Gemüse und ein Kapaun.
    Ich wartete, bis Hildebrand sich und mir davon aufgetan hatte, und erzählte dann:
    »Kennst du denn die Geschichte ihrer Geburt nicht?«
    Hildebrand schüttelte den Kopf. Ich schmunzelte vergnügt, denn über diese Legende freute sich die ganze Familie.
    »Also: Mein Großvater Richolf von Lechenich machte 1109 eine Wallfahrt nach Jerusalem. Da er bei einer so weiten und gefahrvollen Reise auch mit dem Schlimmsten rechnen mußte, übertrug er seinen gesamten Besitz seiner Frau Friederun für den Fall, daß er nicht zurückkehren würde.
    Zum Glück ist meinem Großvater aber nichts zugestoßen, und ein Jahr darauf war er wieder daheim. Die Freude, seine
Frau wiederzusehen, muß riesig gewesen sein, denn er nahm sich nicht einmal die Zeit, den Reisestaub abzuwaschen, sondern nahm sie gleich nach dem Begrüßungskuß an der Hand und zog sie in die Bettkammer. Das Ergebnis dieser freudigen Begrüßung war dann die kleine Tochter Hadewigis. Darüber amüsierte sich die ganze Familie und erzählte dem Kind die besondere Geschichte seiner Entstehung immer wieder. Darum glaubt meine Mutter noch heute, daß sie ein Glückskind sei.«
    Hildebrand nickte wehmütig. »Oh ja, das ist sie ganz sicher. Auch sie hat schwere Schicksalsschläge einstecken müssen, aber letzten Endes ist sie doch vom Glück begünstigt worden. Soll ich dir sagen, wie deine Mutter meinen Bruder kennengelernt hat?«
    Ich nickte eifrig, und Hildebrand erzählte:
    »Es ist rund vierzig Jahre her, daß mein Bruder Bertram, der damals unsere Niederlassung in Soest führte, zu einem Festessen eingeladen wurde, das die reiche Kaufmannswitwe Argentea gab. Anlaß war der Besuch ihres Bruders Richolf von Lechenich aus Köln.«
    »Aber das war ja mein Großvater«, unterbrach ich ihn. Hildebrand nickte.
    »Dein Großvater, genau. Bertram sah Richolfs Tochter Hadewigis, und es war um ihn geschehen. Er mißachtete die von Argentea bestimmte Sitzordnung, die für ihn einen Platz neben Argenteas ältester Tochter vorgesehen hatte, zwängte sich mit fröhlicher Miene auf die Bank neben Hadewigis und rührte sich dort nicht mehr weg. Das Essen war längst vorbei, die Tafel wieder abgetragen, das Gesinde war schlafen gegangen - aber Bertram saß noch immer und redete mit Hadewigis. Schließlich sprach Argentea ein Machtwort.
    »Ich möchte nicht unhöflich zu einem Gast sein«, sagte sie zu meinem Bruder, »aber der Nachtwächter hat schon
zweimal seine Runde gedreht, wir sollten diesen Abend jetzt beenden und schlafen gehen.«
    Bertram wandte mit Mühe den Blick von Hadewigis ab, ging zu Richolf und bat sofort um die Hand seiner Tochter. Argentea traf fast der Schlag. Sie hatte Bertram eingeladen, weil sie ihn gern als Bewerber einer ihrer Töchter gesehen hätte.
    Richolf lachte über den übereifrigen Bewerber. Nachdem er aber in der Nacht die Meinung seiner Frau vernommen und am nächsten Morgen in das glückstrahlende Gesicht seiner Tochter geschaut hatte, gab er seine Zustimmung. Bertrams Herkunft und Handelstätigkeit waren ihm ja bestens bekannt. Mein Bruder war der älteste Sohn des größten Handelsherrn hier in Dortmund und führte seit mehreren Jahren unsere Niederlassung in Soest. Deine Mutter kam also in glänzende Verhältnisse. Du mußt aber essen, Sophia, sonst ist meine Frau beleidigt. Du kannst doch gleichzeitig schmausen und zuhören?«
    Das konnte ich sehr wohl, hatte es mich aber nicht getraut, weil ich nicht unhöflich sein wollte. Nun löffelte ich meine Klöße mit Backpflaumen und Schweinebraten in mich hinein, während Hildebrand fortfuhr:
    »Mein Vater hatte große Ideen: Soest sollte nur ein Sprungbrett für Bertram sein; er sollte später nach Oberitalien gehen und dort eine Niederlassung gründen. Unser zweiter Bruder Arno sollte dann Soest übernehmen und ich als Jüngster später die Arbeit unseres Vaters in Dortmund fortführen. Ich vermute, Vater hatte sogar schon Pläne für die einstweilen noch gar nicht geborenen Enkel.«
    Ich langte vergnügt nach dem Kapaun, denn die Köchin verdiente wahrhaftig die gute Meinung ihrer Brotgeberin. Auch Hildebrand aß mit Genuß, vergaß aber dabei nicht, mir immer wieder einen besonderen Bissen auf ein Stück Brot zu legen.

    »Leider wurde aus diesen Plänen

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