Die Türme der Mitternacht
Platz auf den unteren Stufen ein. Als das erledigt war, erhoben sich die Höflinge wieder. Die Damane blieben natürlich auf ihren Knien. Es waren zehn von ihnen mit gesenkten Köpfen, und ihre Sul’dam hielten ihre Leinen und tätschelten in manchen Fällen liebevoll ihre Köpfe.
König Beslan trat ein. Er hatte den größten Teil seines Schädels rasiert und oben nur einen dunklen Streifen stehen gelassen, außerdem waren sieben seiner Fingernägel lackiert. Ein Fingernagel mehr als bei jedem auf dieser Seite des Ozeans, mit Ausnahme von Fortuona selbst. Er trug noch immer die Kleidung der Altaraner - eine grünweiße Uniform - statt das Gewand der Seanchaner. Sie hatte ihn deswegen nicht bedrängt.
Soweit ihr bekannt war, hatte Beslan seit ihrer Thronbesteigung keine Pläne geschmiedet, sie ermorden zu lassen. Bemerkenswert. Jeder Seanchaner hätte sofort mit derartigen Plänen angefangen. Einige hätten es mit Anschlägen versucht, andere hätten nur Pläne geschmiedet und sie gleichzeitig unterstützt. Aber alle hätten in Betracht gezogen, sie zu ermorden.
Auf dieser Seite des Ozeans dachten viele Menschen eben anders. Das hätte sie niemals geglaubt, hätte sie nicht so viel Zeit mit Matrim verbracht. Das war offensichtlich einer der Gründe gewesen, warum Fortuona ihn hatte begleiten müssen. Sie wünschte sich nur, sie hätte die Omen früher richtig gedeutet.
Zu Beslan gesellten sich Generalhauptmann Lunal Galgan und ein paar Angehörige des niederen Blutes. Galgan war ein breitschultriger Bursche mit einem weißen Haarbüschel auf dem Kopf. Die anderen Mitglieder des Blutes erwiesen ihm ihre Ehrerbietung; sie wussten, dass er in der Gunst der Kaiserin stand. Falls die Dinge hier gut verliefen und man Seanchan zurückerobern würde, war es durchaus vorstellbar, dass sie ihn in die Kaiserfamilie erhob. Die Ränge der Familie würden nach Fortuonas Rückkehr und der Wiederherstellung der Ordnung schließlich wieder aufgefüllt werden müssen. Zweifellos hatte man viele ermordet oder hingerichtet. Galgan war ein wertvoller Verbündeter. Er hatte nicht nur offen gegen Suroth gearbeitet, sondern auch den Angriff auf die Weiße Burg vorgeschlagen, der erfolgreich gewesen war. Sogar außerordentlich erfolgreich.
Melitene, Fortuonas Der’sul’dam, trat vor und verneigte sich erneut. Die stämmige Frau, deren Haar langsam grau wurde, führte eine Damane mit dunkelbraunem Haar und blutunterlaufenen Augen. Anscheinend weinte die oft.
Melitene hatte die Geistesgegenwart, verlegen dreinzuschauen, und verneigte sich besonders tief. Fortuona entschied sich zu übersehen, dass sich die Damane so unerfreulich benahm. Trotz ihrer mürrischen Gesinnung war sie ein guter Fang.
Fortuona gab Selucia ein Zeichen und instruierte sie, was sie sagen sollte. Die Frau sah aufmerksam zu; ihr Kopf war zur Hälfte mit einem Tuch verhüllt, solange sie darauf wartete, dass dort ihr Haar nachwuchs. Die andere Hälfte war glatt rasiert. Irgendwann würde Fortuona jemand anderen zu ihrer Stimme erwählen müssen, da Selucia nun ihre Wahrheitssprecherin war.
»Zeigt uns, was diese Frau kann«, sagte Selucia und sprach damit die Worte, die Fortuona ihr mit der Zeichensprache übermittelt hatte.
Melitene tätschelte den Kopf der Damane. »Suffa wird der Kaiserin - möge sie ewig leben - die Macht die Luft aufzuschneiden vorführen.«
»Bitte«, sagte Suffa und sah Fortuona flehend an. »Bitte, hört mir zu. Ich bin der Amyrlin-Sitz.«
Melitene zischte, und Suffa riss die Augen weit auf, da sie offensichtlich einen Schmerz durch das A’dam schießen spürte. Die Damane machte trotzdem weiter. »Ich kann ein großes Lösegeld anbieten, mächtige Kaiserin! Wenn man mich zurückbringt, gebe ich Euch zehn Frauen, die meine Stelle einnehmen. Zwanzig! Die mächtigsten Frauen der Weißen Burg. Ich …« Stöhnend stockte sie und brach zusammen.
Melitene schwitzte. Nervös sah sie Selucia an und sprach schnell. »Bitte erklärt unser aller Kaiserin - möge sie ewig leben -, dass mein Blick gesenkt ist, weil die hier nicht vernünftig ausgebildet wurde. Suffa ist erstaunlich stur, obwohl sie so schnell weint und andere für ihren Platz anbietet.«
Fortuona ließ Melitene einen Augenblick lang schwitzen. Schließlich bedeutete sie Selucia zu antworten.
»Die Kaiserin ist nicht unzufrieden mit Euch«, übermittelte die Stimme. »Diese Marath’damane, die sich selbst Aes Sedai nennen, haben sich alle als stur erwiesen.«
»Bitte teilt
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