Die Ueberlebenden von Mogadischu
Menschen nie wieder etwas zu tun haben. Er existiert nicht mehr in meiner Welt.
Auch Monika Schumann hat Frau Andrawes getroffen.
Frau Schumann hat sie nicht selbst im Flugzeug erlebt. Sie saß der Helfershelferin des Mannes gegenüber, der ihren Mann erschossen hat. Der Verlust des Partners ist natürlich schlimm, doch Frau Schumann hat keine fünf Tage unter den Terroristen, darunter Frau Andrawes, zu leiden gehabt. Sie konnte der Frau mit einer gewissen Distanz begegnen.
Sie haben Frau Andrawes noch einmal gesehen, beim Prozess in Hamburg ?
244 Ich habe sie persönlich erlebt, als ich meine Aussage machte, aber ich habe ihr nicht in die Augen gesehen. Frau Andrawes hat sich beim Prozess als Opfer inszeniert. Mitarbeiter eines norwegischen Kamerateams erzählten mir, sie mache einem ganz normal die Tür auf, aber bei Interviews bestehe sie darauf, dass vor laufender Kamera Krücken zu sehen sind. Sie wollte Mitleid erheischen für die lebenslangen Verletzungen, die sie bei der Befreiungsaktion erlitten hat, dabei gehört es doch zum Berufsbild einer Terroristin oder eines Terroristen, dass sie oder er mit einer schweren Verletzung oder mit dem Tod rechnen muss.
Welche Erinnerung verbinden Sie besonders mit ihr ?
Kurz vor Ablauf des Ultimatums, als wir schon alle mit Alkohol übergossen waren, hat sie zu mir gesagt: »Bevor hier alles brennt, erschieße ich als Erstes Sie und den kleinen Jungen, dann geht es schnell bei Ihnen.« Dann habe ich zu ihr gesagt: »Danke schön, ich möchte lieber brennen.« Ich bin doch kein Hund, den man erschießt, weil er leidet.
Der Anwalt von Frau Andrawes hielt Ihnen vor, Sie würden aus Ihrem Herzen eine Mördergrube machen. Sie wollten jetzt die damals gesuchte Nähe zu seiner Mandantin leugnen.
Das war das einzige Mal, als ich während des Prozesses die Contenance verloren habe. Ich schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und sagte ziemlich laut: »Mördergrube? Mein Herz eine Mördergrube? Wenn Sie mir hier vorwerfen, dass ich zu einer Terroristin freundlich war, um Menschenleben zu retten, dann nehme ich diesen Vorwurf an und verwahre ihn gern in der Mördergrube meines Herzens.« Dann schluckte dieser Anwalt und sagte nichts mehr.
Sie sind später, etwa in Talkshows immer wieder auf führende Politiker getroffen. Haben die unter vier Augen einmal etwas anderes gesagt als das, was aus der Arbeit der Krisenstäbe bekannt wurde ?
Nein. Sie waren immer freundlich zu mir, haben aber nichts anderes gesagt.
245 Vielleicht denke ich jetzt idealistisch, aber ist nicht einmal ein Politiker zu Ihnen gekommen und hat gesagt: »Mir liegt diese Entscheidung von damals schwer im Magen.« Immerhin wurde zu keiner Zeit an einen Austausch der Terroristen gegen die Geiseln in der »Landshut« gedacht.
Das waren zwei, Hans-Jochen Vogel und Klaus von Dohnanyi. Sie wollten deutlich machen, dass ihnen die Entscheidungen damals sehr schwergefallen sind. Sie baten um eine Art Absolution von mir, und ich habe sie ihnen erteilt. Im Moment der Stürmung habe ich tatsächlich reflexartig gedacht: »Die einzig richtige Lösung! Wenn ich jetzt sterbe, sterbe ich wenigstens, während sich Deutschland gewehrt hat.«
Es gibt im Esszimmer Ihres Hauses ein Schwarzweißfoto an der Wand . . .
... ja, das habe ich von freundlichen Journalisten bekommen, sie haben es für mich besorgt ...
. . . das Sie zusammen mit Jürgen Vietor und Helmut Schmidt zeigt. Es entstand bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an die »Landshut«-Crew. Wie stehen Sie zu Helmut Schmidt ?
Ich war ihm hinterher total dankbar für das Rückgrat, das er gezeigt hat. Die Befreiungsaktion war die einzig richtige Lösung.
Ich mache in meinem Buch den Vorschlag, die »Landshut« in ein deutsches Museum zu bringen.
Das fände ich ganz toll.
Sie würden sie auch betreten ?
Natürlich. Ich würde auch mit der Museumsdirektion zusammenarbeiten, damit Führungen gemacht werden können.
Abb. 11 : Cäcilie Meijer-Werner gehörte zu den letzten Geiseln, die mit Kapitän Jürgen Schumann vor dessen Erschießung gesprochen haben. Nach ihrer Befreiung beschäftigte sie zeitlebens die Frage, wie Menschen anderen Menschen Gewalttaten wie diese antun können. 246
247 Jürgen Schumann hat neben mir gesessen
Cäcilie Meijer-Werner im Gespräch mit Ebbo Demant ( 1980 )
Jürgen Schumann hat eine ganze Zeit neben mir gesessen, weil der eine Platz frei war, denn er musste ja nach Dubai zwischen den Passagieren sitzen
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