Die Ungehorsame Historischer Roman
mich dabei haben - der alten Zeiten wegen. Wir haben eine dieser abstrusen Veranstaltungen mitgemacht und uns dann nie wieder dabei blicken lassen. Er hat es uns sehr übel genommen. Unseligerweise haben wir damals darüber geschwiegen. Der Dummköpfe wegen, die darin verstrickt waren.«
Sie waren langsam am Rheinufer entlanggeschlendert, Leo rechts, Ernst links von Leonie. Die ersten Blattknospen hatten sich schon geöffnet, und der Märzwind trug eine Spur Frühlingsduft in sich.
»Was habt ihr vor, Leo? Wirst du nach Köln zurückkehren?«, wollte der Leutnant wissen.
»Nein. Meine Aufgabe bei der Eisenbahn ist erledigt, ich habe dem Oberbergamtsrat von Alfter einen Teil der Geschichte erzählen müssen und ihm gesagt, ich stünde weiter nicht mehr zur Verfügung. Ich möchte mit Leonie und den Kindern nach Barsinghausen ziehen. Mein großmütiges Weib hat sich bereit erklärt, meine Karriere als Geologe und Forscher zu unterstützen.«
»Er will eine Gesteinskarte von Hannover anlegen, so wie es William Smith von England getan hat.«
»Mit kleineren Aufgaben gibst du dich nicht zufrieden?«
Leo lachte.
»Nein. Ich werde sogar noch eine größere angehen, lieber Freund. Am fünfundzwanzigsten Mai werde ich diese entzückende Dame neben mir vor Gott und der Welt bitt, meinen Namen zu tragen. Ich hege große Hoffnung, dass sie ja dazu sagt.«
»Ich habe bisher nur ein sehr indifferentes Vielleicht in Erwägung gezogen, aber er ist erstaunlich beharrlich.«
»Nun, ich könnte dir ein Alternativangebot machen, Leonie. Auch ich habe ein hübsches Rittergut und ein ebenso hübsches Gesicht zu bieten.«
»Ernst von Benningsen, möchtest du mit umgedrehtem Hals rheinabwärts gespült werden?«, grollte der Löwe, und seine Löwin schmiegte sich überhaupt nicht indifferent an ihn.
Zu sagen, die Hochzeit sei rauschend gewesen, wäre eine unzulässige Untertreibung. Es war das Ereignis.
Diesmal fand die Trauung in der Kirche statt, und selbst Lennard und Ursel hatten nichts zu meckern - die nüchterne Antoniterkirche war ein einziges Blütenmeer. Ihre Großeltern waren eingetroffen, Lady Frances begleitete sie. Dutzende von Freunden hatten sich versammelt, und Leonie trug ein Kleid, das selbst Gawrila als ihr Meisterwerk bezeichnete. Elfenbeinfarbener Seidenatlas mit einem eingewebten Farnmuster und feinster Goldstickerei fiel in einem weit ausgestellten Rock über knisternde Unterröcke und endete in einer runden Schleppe. Das Oberteil ließ Hals und Schultern frei, und über Leonies braungoldenen Locken schwebte ein elfenbeinfarbener Schleier, der mit einigen Maiglöckchen festgesteckt war.
Doch es gab einige ungewöhnliche Arrangements, die die Hochzeit noch lange im Gedächtnis der Teilnehmenden bleiben ließ. Nicht nur der spektakuläre Schmuck der Braut - ein Smaragdcollier, um das sie Königinnen beneiden würden -, sondern auch die Tatsache, dass sie von einer - nun ja, sie war wohl trotz allem eine - Dame in die Ehe gegeben wurde und nicht von einem männlichen Verwandten. Lady Frances, in schwarz-silberner Assiutseide, einen Turban auf dem Kopf, führte sie den Mittelgang hinunter. Den langen Schleier trugen die Zwillinge, sich ihrer würdigen Aufgabe voll bewusst. Camilla Jacobs und Ernst von Benningsen standen als Trauzeugen neben ihnen am Altar.
Hier wartete Pastor Merzenich lächelnd auf das Paar und stellte die obligatorischen Fragen.
Verblüffenderweise fragte er zuerst die Braut: »Hast du, Leonora Maria Gutermann, vor Gott dein Gewissen geprüft, und bist du frei und ungezwungen hierher gekommen, um mit diesem deinem Bräutigam die Ehe einzugehen?«
»Ja, das bin ich!«, antwortete sie mit klarer Stimme. Ihre Haltung war aufrecht, und ihre Augen leuchteten.
»Bist du gewillt, deinen künftigen Gatten zu lieben und zu ehren? Bist du gewillt, ihm die Treue zu halten, in guten und in bösen Tagen, in Reichtum und Armut, in Gesundheit und Krankheit, bis dass der Tod euch scheide?«
»Ja, das will ich sehr gerne.«
Sie zwinkerte ihm dabei zu, und Leo ging vor ihr in die Knie. Er sprach mit lauter, fester Stimme:
»Ich, Leo Vincent Flemming, habe vor Gott mein Gewissen geprüft, bin frei und ungezwungen hierher gekommen, um mit dir, Leonie, meiner Löwin, die Ehe einzugehen. Ich gelobe, dir die Treue zu halten in guten und in bösen Tagen, in Reichtum und Armut, in Gesundheit und Krankheit. Ich will dich lieben, ehren und dir gehorsam sein, bis dass der Tod uns scheide.«
Das Raunen
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