Die verborgene Wirklichkeit
Universen nacheinander erzeugen. Warum? Stellen wir uns einen Computer vor, der zur Simulation von Fußballspielen programmiert wird. Für jedes Spiel müssen wir ihm eine Riesenmenge an Informationen eingeben: alle körperlichen und mentalen Eigenschaften aller Spieler, alle Details über Stadion, Schiedsrichter, Wetter und so weiter. Und für jedes neue Spiel, das wir simulieren wollen, müssen wir wiederum einen riesigen Datenberg festlegen. Entscheiden wir uns jedoch, nicht ein Spiel oder einige wenige zu simulieren, sondern alle vorstellbaren Spiele, wird die Programmieraufgabe
wesentlich leichter. Jetzt müsste man nur ein übergeordnetes Programm formulieren, das systematisch alle möglichen Variablen abarbeitet – diejenigen, die Spieler, Umwelt und alle anderen einschlägigen Aspekte betreffen –, und dieses Programm lässt man dann laufen. In dem umfangreichen Output anschließend ein bestimmtes Spiel zu finden, wird nicht einfach, aber wir wären sicher, dass jedes mögliche Spiel früher oder später auftauchen würde.
Das Entscheidende dabei: Ein Element aus einer großen Sammlung zu definieren, erfordert häufig große Mengen an Information; die Sammlung selbst als Ganzes zu definieren, kann im Vergleich dazu viel einfacher sein. Nach Schmidhubers Befunden trifft diese Schlussfolgerung auch auf simulierte Universen zu. Ein Programmierer, der auf der Grundlage bestimmter Kombinationen mathematischer Gleichungen eine Ansammlung von Universen simulieren soll, kann es sich leicht machen: Ganz ähnlich wie der Fußballfan könnte er sich dafür entscheiden, ein einziges, relativ kurzes Programm zu schreiben, das alle berechenbaren Universen erzeugt, und dann den Computer arbeiten lassen. Irgendwo in der nun entstehenden, riesigen Sammlung simulierter Universen würde der Programmierer diejenigen finden, deren Simulation sein eigentlicher Auftrag war. Ich würde nicht gern die Computer-Rechenzeit nach Stunden bezahlen, denn die Laufzeit der entsprechenden Simulationen wäre gewaltig. Liebend gern würde ich aber den Programmierer nach Stunden bezahlen, denn die Anweisungen zur Erzeugung aller berechenbaren Universen wären viel weniger umfangreich als diejenigen, mit denen man nur ein ganz bestimmtes Universum erzeugen würde. 11
Mit beiden Szenarien – viele Computernutzer, die viele Universen simulieren, oder ein übergeordnetes Programm, das alle simuliert – könnte man ein simuliertes Multiversum erzeugen. Und da die so entstehenden Universen auf einer breiten Vielfalt unterschiedlicher mathematischer Gesetze basieren würden, können wir uns ebenso gut vorstellen, dass diese Szenarien einen Teil des letztmöglichen Multiversums erzeugen: jenen Teil, dessen Universen auf berechenbaren mathematischen Funktionen beruhen. am Wenn man allerdings nur
einen Teil des letztmöglichen Multiversums erzeugt, ergibt sich der Nachteil, dass eine solche kleinere Version den Überlegungen, die überhaupt erst den Anlass zu Nozicks Fruchtbarkeitsprinzip gaben, nicht gerecht wird. Wenn nicht alle möglichen Universen existieren, wenn nicht das gesamte letztmögliche Multiversum erzeugt wird, taucht wiederum die Frage auf, warum manche Gleichungen zum Leben erweckt werden und andere nicht. Insbesondere bleibt die Frage, warum Universen, die auf berechenbaren Gleichungen basieren, das Rampenlicht auf sich ziehen.
Verfolgen wir den höchst spekulativen Weg dieses Kapitels noch ein wenig weiter: Vielleicht liefert ja auch die Unterteilung in berechenbar und nicht berechenbar neue Aufschlüsse. Berechenbare mathematische Gleichungen vermeiden die heiklen Fragen, die in der Mitte des letzten Jahrhunderts von scharfsinnigen Denkern wie Kurt Gödel, Alan Turing und Alonzo Church aufgeworfen wurden. Gödels berühmter Unvollständigkeitssatz besagt: Bestimmte mathematische Systeme lassen zwangsläufig wahre Aussagen zu, die sich innerhalb des mathematischen Systems selbst nicht beweisen lassen. Schon seit Langem fragen sich die Physiker, welche Folgerungen sich aus Gödels Erkenntnissen möglicherweise für ihre Arbeit ergeben. Ist vielleicht auch die Physik notwendigerweise unvollständig in dem Sinn, dass manche Aspekte der Natur sich mathematischen Beschreibungen für immer entziehen? Im Zusammenhang des verkleinerten letztmöglichen Multiversums lautet die Antwort: nein. Berechenbare mathematische Funktionen liegen definitionsgemäß voll und ganz innerhalb der Grenzen des Berechenbaren. Sie sind gerade die
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