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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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an!«, lockte Ger Ti Benten.
    Anguana rannte in den Raum, legte die Hände an die Glasscheibe und starrte in das Aquarium. Die Nixen lachten lautlos, kamen an die Scheibe und klopften dagegen, als wäre Anguana die Sehenswürdigkeit. Dann gaben sie ihr eine kleine Extravorstellung, machten Saltos und schossen pfeilschnell durch das Wasser.
    Tobbs schielte zu Ger Ti Benten. Die Theaterchefin betrachtete Anguana zufrieden. Und irgendwie hatte Tobbs das dumpfe Gefühl, dass sie fest mit ihrer Ankunft gerechnet hatte. Nur von ihm war sie offensichtlich nicht begeistert.
    Was, wenn ihn seine Familie wirklich nicht haben wollte? Was, wenn sie ihn absichtlich in der Taverne ausgesetzt hatten, damit er nie wieder zu ihnen zurückfand?
    »Äh, Ger Ti Benten?«, wandte er sich schüchtern an sie. »Ich muss dich etwas fragen. Es geht um mich und …«
    »Die Antwort auf all deine Fragen findest du in dem Zimmer dort«, unterbrach sie ihn barsch.
    Tobbs’ Herz machte einen Sprung. Das Orakel der Füchse hatte ihm den richtigen Weg gewiesen!
    »Du weißt … wer meine Eltern sind? Du weißt, woher ich komme?« Er ärgerte sich, dass seine Stimme vor Aufregung ganz hoch und kieksig klang.
    Zum ersten Mal sah ihn Ger Ti Benten mit Interesse an. »Komm mit mir!«, sagte sie dann für ihre Begriffe relativ freundlich.
    Tobbs warf einen Blick auf Anguana, doch das Mädchen war gerade in ein pantomimisches Gespräch mit einer sylvanischen Igelnixe vertieft.
    Die schwarz lackierte Schiebetür, auf die die Theaterbesitzerin nun deutete, war verführerisch nah. Nur zwei Schritte – nur einen Blick und er würde endlich wissen …
    Der Falter zuckte und flatterte in seiner Hand, doch Tobbs achtete nicht darauf.
    »Kommst du?«, fragte Ger Ti Benten und ging voraus.
    Entschlossen überschritt er die Türschwelle und fand sich in einem … Teezimmer? … wieder. Ein dicker Mann saß mit dem Rücken zur Tür auf dem Boden und schlürfte geräuschvoll Tee.
    Tobbs war, als schwebe er losgelöst in diesem Raum, in dem Vergangenheit und Zukunft sich endlich trafen. Die Stille hatte etwas Feierliches, Würdiges. War der Mann dort sein Vater? Oder sein Großvater? Oder nur jemand, der Bescheid wusste, ein weiser Alter, der ihm dabei helfen würde, seine Eltern …
    »Über deine Vergangenheit kann ich dir nicht viel sagen«, raunte ihm Ger Ti Benten im Hinausgehen zu. »Aber dort sitzt auf jeden Fall deine Zukunft!«
    Als er das laute Zuschnappen der Schiebetür hörte, zuckte der Mann zusammen und wandte sich um.
    Es war Kontrolleur Piksfinger.
    Der Falter befreite sich aus Tobbs’ schreckstarren Fingern und setzte sich auf den Kragen des Mannes. Im selben Augenblick ließ Anguanas Aufschrei Tobbs das Blut in den Adern gefrieren.
    Die Flügel des Falters klappten auf und enthüllten die goldene Inschrift:
    Falsches Haus, du Idiot!

DIE KAMMER DER KETTEN
    Es gab nicht nur eine Kammer der Ketten, es gab Hunderte. Ganz am Rand der Stadt, in einem verlassenen Steinbruch, waren sie in die terrassenförmig abfallende Felswand gehauen wie ein gigantischer Bienenstock aus Stein. In jeder Wabe saß ein Gefangener, abgeschlossen von den anderen, schräg über sich nur ein schmales Loch, das den Himmel zeigte. Zu schmal für eine Flucht, breit genug für Nieselregen und einen nicht zu dicken Himmelhund. Das Schlimmste aber waren die schweren Ketten und die Eisenringe, die sich um Handgelenke, Fußknöchel und Hals schlossen, so fest, dass sie einem bei jeder Bewegung das Blut abschnürten. Es roch nach nassem Eisen, was Tobbs kaum ertragen konnte.
    Noch nie hatte er sich so elend und verloren gefühlt. Sein Auge, das bestimmt ein prächtiges Veilchen zierte, pochte in dumpfem Schmerz. Immerhin war es ihm gelungen, Kontrolleur Piksfinger zu beißen und sich aus seinem Klammergriff zu befreien, doch gegen die Wachen, die gleich darauf in das kleine Teezimmer gestürmt waren, hatte auch ein tobender Tobbs keine Chance gehabt.
    Allerdings waren sie sich offensichtlich keineswegs sicher, ob wirklich Tobbs der Mörder der Wächterschlange war. Soweit Tobbs aus den Gesprächen der Wachleute schließen konnte, verhafteten sie gerade jeden Ausländer, der kein lückenloses Alibi hatte. Schwacher Trost.
    Das Schlimmste aber war die Ungewissheit, was mit Anguana geschehen war. Tobbs erinnerte sich nur, nach dem Schrei ein Platschen gehört zu haben, als hätte sich eine Nixe das Mädchen geschnappt.
    Wasserwesen waren keinen Deut ehrlicher als Menschen, so

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