Die Verdammten: Endzeit-Thriller (German Edition)
eingebildet habe. Ich schätze, da hab ich mir selbst was vorgemacht.« Ihr schnürte sich die Kehle zusammen. »Ich hätte es jemandem sagen müssen. Ich hätte es Tony sagen müssen …«
Frank legte eine Hand auf Maddys Schulter. »Mach dir deswegen keine Sorgen. So was passiert nun mal. Das gehört zu der Welt, in der wir leben. Es ist nicht deine Schuld, okay?«
Maddy nickte, aber sie konnte Frank nicht zustimmen.
Sie hatte sich von ihrer kindischen Furcht überwältigen lassen. Statt mit ihrer Fackel nachzusehen, was für ein Tier in das Asyl eingedrungen war, hatte sie die Flucht angetreten. Sich selbst eingeredet, dass sie sich alles nur einbildete oder es nichts als ein harmloses Tier gewesen war.
Hätte sie sich ihrer Angst gestellt, wäre an diesem Morgen noch ein Kind mehr am Leben.
Vielleicht ist James ja auch noch am Leben. Wir wissen noch gar nicht mit Sicherheit, dass er tot ist.
Wenn es in dieser grünen Hölle wirklich Wunder gab, dann hoffte sie, dass ihnen an diesem Morgen eines in den Schoß fiel.
Frank zog seine Hand weg und gesellte sich zu der Gruppe, die das Loch untersuchte. »Okay, Leute, wir brauchen ein paar Freiwillige, die diese Mauer wieder reparieren …«
Maddy trottete zu Lucy und Grace zurück. Die beiden saßen noch immer auf ihren Betten.
»Was ist los?«, wollte Lucy wissen. »Haben sie James gefunden?«
Maddys Kehle fühlte sich ganz ausgetrocknet an und das Schlucken fiel ihr schwer. »Nein, sie haben ihn noch nicht gefunden. Kommt, ihr zwei, wir gehen frühstücken.«
Sie hatten James auch am Nachmittag noch nicht entdeckt. Die einzige Spur von dem Jungen waren Blutstropfen, die vom Loch in der Wand zur Ruine der Bibliothek führten. Es war zwar kein endgültiger Beweis dafür, dass der Junge einen unglücklichen Tod gefunden hatte, aber es erfüllte die Herzen der Bewohner trotzdem mit Hoffnungslosigkeit und großem Kummer.
Die Mutter des Jungen lag mit einem Schock auf der Krankenstation, nachdem man ihr die Wahrheit erzählt hatte.
Eine gewisse Melancholie hatte sich über dem Asyl ausgebreitet, und obwohl noch immer ein kleiner Suchtrupp den Dschungel durchforstete, gingen die Hoffnungen, James lebend zu finden, gegen null.
In dem Versuch, sich abzulenken und nicht darüber nachzudenken, dass ihr Handeln praktisch einem Jungen das Leben gekostet hatte, meldete Maddy sich freiwillig, um auf dem Gelände nach Pilzen zu suchen. Sie schleppte Lucy mit, da sie die Ansicht vertrat, ihre Schwester müsse allmählich auch ihren Teil zum Leben der Gemeinschaft beitragen.
»Das ist so langweilig«, seufzte Lucy. »Ich bin müde. Und ich hab Durst.«
»Hör auf zu meckern«, ermahnte sie Maddy. »Das hier ist eine wichtige Aufgabe.«
»Aber wir haben überhaupt noch keine Pilze gefunden. Hier gibt’s keine.«
Maddy und Lucy krochen seit gut einer Stunde auf Händen und Knien durch den Dschungel. Ein weiteres Zweierteam suchte außerhalb des Geländes nach Pilzen. Zwar hatte niemand gesehen, dass Sue am Morgen ihres Todes hinausgegangen war. Aber nun, wo sie das Loch in der Wand entdeckt hatten, hielten sie es durchaus für möglich, dass Sue sich ins Freie geschlichen hatte, ohne von jemandem bemerkt worden zu sein.
»Ich wette, Sue hat noch nicht mal irgendwelche Pilze gegessen«, nörgelte Lucy und krabbelte weiter neben Maddy über den Waldboden. Ihre Klamotten und ihr Gesicht waren mit Dreck verschmiert. »Warum sollte sie auch eklige Pilze essen?«
»Wenn sie es getan hat, dann, weil sie Hunger hatte.«
»Mir wär egal, ob ich vor Hunger sterbe, ich würd trotzdem keine Pilze essen.«
Maddy musste lächeln und krabbelte weiter.
Trotz ihrer wunden Knie machte Maddy diese Aufgabe nichts aus. In Bodennähe war es kühler und sie hatte das Gefühl, sich vor der Welt verstecken zu können – was ihr angesichts ihrer momentanen Gefühlslage durchaus entgegenkam.
»Können wir mal ʼne Pause einlegen?«, bat Lucy. »Meine Knie bringen mich um.«
»Okay, aber nur kurz.«
Maddy und Lucy unterbrachen ihr Krabbeln, ließen sich auf ihren Hintern fallen und stellten die Eimer neben sich ab.
»Wir essen und trinken was, wenn wir’s bis zum Lagerfeuer geschafft haben, okay?«
Sie hatten noch nicht einmal die Supermarktkassen erreicht.
Lucy zuckte mit den Schultern. »Von mir aus.«
Sie kauerten schweigend unter einem Dach aus Farnwedeln. Schließlich sagte Maddy, die die Mauer zwischen ihnen endgültig satthatte: »Was ist denn heute mit dir los? Bist du
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