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Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
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und ihre spätere Vergesslichkeit waren harmlos verglichen mit der Kultur der Grausamkeit und Unterjochung, die in dieser Einrichtung herrschte. Cara brachte viel Zeit damit zu, sich mögliche Fluchtwege zu überlegen. Die Schwierigkeit dabei war nur, dass sie nicht wusste, wohin sie sollte, falls ihr tatsächlich die Flucht gelang. Traurigerweise waren dieses Waisenhaus und die Mädchen darin das einzige Heim, das ihr geblieben war.
    Cara war nicht die Einzige, die davon träumte, aus dem Waisenhaus zu türmen. Vor allem Molly redete ständig davon. Nachdem sie Cara am ersten Abend noch angegriffen hatte, hatte sich bald herausgestellt, dass ihr Zorn aus dem Abwehrmechanismus rührte, den sie sich im Lauf vieler Jahre in kirchlich geführten Einrichtungen zugelegt hatte. Sie war fünfzehn, grobknochig und hatte fast so sehr unter den Nonnen zu leiden wie Cara. Ständig entwickelte sie neue Fluchtpläne, bis sie, etwa eine Woche nachdem Cara in der Küche Prügel bezogen hatte, zusammen mit zwei anderen Mädchen tatsächlich flüchten konnte. Die drei hatten in der Wäscherei gearbeitet, sich dort frisch gewaschene Nonnentrachten übergezogen und waren damit einfach durch das Haupttor ins Freie spaziert. Nachdem alle drei groß gewachsen waren, hatte niemand sie aufgehalten. Erst beim Appell vor dem Mittagessen fiel die Flucht der drei Mädchen auf.
    Auf der Stelle wurde die Garda alarmiert. Und die Polizisten brauchten nicht lange, um die Mädchen zu finden. Die drei hatten ihren Plan nicht zu Ende gedacht; sobald sie außer Sichtweite des Waisenhauses waren, hatten sie den Habit abgelegt und sich dadurch verdächtig gemacht, da am helllichten Tag alle anderen Kinder ihres Alters in der Schule saßen. Ein Wichtigtuer aus dem Ort hatte sie gesehen, als sie zu Fuß auf der Straße in Richtung Galway gingen, und sie sofort der Polizei gemeldet. Noch in derselben Nacht wurden Molly und die anderen wieder abgeliefert.
    Niamh erzählte Cara, was sie über ihr Schicksal erfahren hatte: »Sie haben sie in die Schweigekammer gesperrt.«
    Cara schauderte. Sie hatte auch schon darin gesessen. Das gehörte zu den schlimmsten Strafen: in den winzigen Kellerraum gesperrt zu werden, ohne jedes Licht und mit nichts als einer kleinen Schale Wasser alle paar Stunden.
    Gleich am Morgen wurden alle Mädchen in die Versammlungshalle gerufen. Molly und die beiden anderen Flüchtlinge standen auf dem Podium und waren redlich bemüht, sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen. Doch als Schwester Concepta und Schwester Jude auf das Podium traten, war es mit dem gespielten Trotz vorbei. Die Mutter Oberin baute sich in der Mitte des Podiums auf.
    »Wie ihr alle wisst«, begann sie tiefernst, »haben uns diese drei undankbaren Kinder unsere Gastfreundschaft vergolten, indem sie sich gestern Nacht klammheimlich davongestohlen haben. Ihr seid hier, um ihre Bestrafung zu bezeugen.« Sie drehte sich zu den Mädchen um. »Molly«, kommandierte Schwester Concepta, »tritt vor!«
    Mit erhobenem Kopf kam Molly dem Befehl nach. Genau wie alle anderen Mädchen im Saal erwartete sie öffentliche Schläge. Aber stattdessen zückte Schwester Concepta eine riesige Gartenschere. Der ganze Saal schnappte erschrocken und entsetzt nach Luft, als sie damit dem Mädchen die Haare abschor. Locke um Locke fiel zu Boden, bis Molly – ohnehin kein besonders ansehnliches Mädchen – fast kahl geschoren vor ihnen stand und nur noch ein paar vereinzelte Büschel von ihrem Kopf abstanden. Als die beiden anderen Flüchtigen erkannten, was ihnen bevorstand, brachen sie in Tränen aus.
    »Seht ihr«, verkündete Schwester Concepta düster und ließ das nächste Mädchen vortreten. »Das widerfährt jenen unter euch, die sich uns widersetzen wollen.«
    Nicht einmal die hartgesottensten Mädchen im Saal konnten ansehen, wie die drei kahl geschoren wurden.
    Die ganze Prozedur zog sich fünfzehn Minuten hin, danach ließ Schwester Concepta die drei eine halbe Stunde lang auf dem Podium stehen, damit alle ihre Demütigung ansehen konnten. Niamh schlotterte vor Angst, als sie den Saal endlich verlassen durften.
    »Was hast du denn?«, fragte Cara leise, während sie den Weg zum Schlafsaal einschlugen.
    Instinktiv legte das andere Mädchen die Hand auf ihren Scheitel. »Ich würde es nicht überleben, wenn sie das mit mir machen würden«, flüsterte sie.
    Cara verstand ihre Ängste. Schwester Concepta hätte liebend gern Niamhs wunderschönen Zopf abgeschnitten. Nur darum

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