Die Vergessenen Welten 16 - Die Drachen der Blutsteinlande
beiden parallel verlaufenden Flüssen, die aus den Galena-Bergen kamen. Und dann stieg sie noch höher auf, denn die dünne Luft und die Kälte störten sie kein bisschen. Wenn eine Person am Boden nun einen flüchtigen Blick auf sie geworfen hätte, hätte sie kaum ahnen können, dass sie ein hoch fliegender Drache war, und sie eher für einen tief fliegenden Nachtvogel oder eine Fledermaus gehalten.
Sie machte sich keine Gedanken. Sie war nackt in der Nachtluft, hoch über solchen Sorgen. Sie war frei.
Tazmikella überquerte die Berge problemlos, flog zwischen den hoch aufragenden Gipfeln hindurch und genoss das Spiel der Luftströmungen und den Kontrast zwischen den dunklen Steinen und dem mondbeleuchteten Schnee. Sie erreichte Vaasa westlich von Palishchuk und wandte sich nach Osten, sobald sie die Berge hinter sich hatte. Schon bald konnte sie die Lichter der Halb-Ork-Stadt sehen.
Sie behielt ihre Flughöhe bei, als sie die Stadt überflog, denn sie wusste, dass die Halb-Orks, die so lange im wilden Land von Vaasa gelebt hatten, sich auskannten, wenn es darum ging, sich zu verteidigen. Wenn sie sähen, dass ein Drache in der Nacht über ihre Stadt hinwegflog, würden sie nicht lange über die Farbe des Geschöpfs nachdenken – und im Licht der Sterne und des Halbmonds würden sie diese nicht einmal erkennen können.
Tazmikella nutzte ihre scharfen Augen, um die Stadt genau zu betrachten. Es war spät, aber viele Fackeln brannten, und die größte Schänke der Stadt war hell beleuchtet. Hier wurde offenbar immer noch der Sieg über Zhengyis Burg gefeiert.
Sie zog nach rechts, nach Norden, und begann mit ihrem Abstieg, nachdem sie sich überzeugt hatte, dass sich keine Bürger der Stadt in der Nähe aufhielten. Beinahe sofort entdeckte sie das dunkle, tote Gebäude, einen Nachbau der Gefahrenburg, nur ein paar Meilen nördlich der Stadt.
Nun schoss sie in einer geraden Linie abwärts, zu fasziniert von der Burg, um sich weiter um die Umgebung zu kümmern. Als sie landete, nahm sie wieder Menschengestalt an, denn sie ging davon aus, dass eine nackte Frau mittleren Alters erheblich weniger furchterregend wirken würde, wenn man sie trotz aller Vorsichtsmaßnahmen entdecken sollte. Selbstverständlich hätte sie mögliche Beobachter dennoch gewaltig verwirrt, denn sie ging ohne Zögern auf das riesige Fallgitter zu, das den Eingang vor dem Gebäude versperrte. Sie betrachtete das Flickwerk, das über der Bresche im Tor angebracht war, durch die Jarlaxle und seine Gefährten offenbar in die Burg eingedrungen waren. Sie hätte diesen Flicken leicht entfernen können, aber das hätte bedeutet, darunter hindurchkriechen zu müssen.
Stattdessen schob sie ihre Arme zwischen zweien der dicken Fallgitterstangen hindurch und drückte sie nach außen – und bog damit das Metall mühelos weit genug auseinander, dass sie hindurchgehen konnte.
In aller Ruhe betrat Tazmikella die Burg direkt durch das Torhaus und erreichte den aufgewühlten Hof, auf dem viele zerbrochene Skelette lagen.
Sie stellte fest, dass das Haupttor zum Burggebäude repariert und mit einer schweren Kette gesichert war – einer, die sie mit einer Hand packte und problemlos aufbrechen konnte.
Was sie suchte, befand sich im Hauptraum direkt hinter dem Tor. Eine Art Stehpult war beinahe unberührt, aber nahe dem oberen Ende von Feuer geschwärzt. Die Überreste eines großen Buchs, zerrissene, versengte Seiten, lagen überall verstreut. Tazmikella ging mit säuerlicher Miene zu dem zerstörten Überrest und hob den schwarzen Einband hoch. Der größte Teil des Buchs war zerstört, aber von dem Einband war genügend erhalten geblieben, dass sie die Bilder von Drachen erkennen konnte, die dort eingeprägt waren.
Sie wusste, um was für eine Art Buch es sich handelte: ein Werk der Schöpfung und Versklavung.
»Verdammt sollst du sein, Zhengyi«, flüsterte der Drache.
Den Spuren von Jarlaxles und Entreris Vordringen in die Burg war nicht schwer zu folgen, und schon bald erreichte Tazmikella einen riesigen Raum tief unter dem Gebäude, in dem die Knochen einer lange zurückliegenden Schlacht und die Überreste eines nur kurze Zeit zurückliegenden Kampfes lagen. Ein Blick auf die Gebeine des untoten Drachen bestätigte alles, was Tazmikella und ihre Schwester Ilnezhara gefürchtet hatten.
Tazmikella erreichte den Hügel vor Heliogabalus kurz vor der Morgendämmerung. Sie zog sich an und rieb sich die müden Augen, aber sie kehrte nicht in ihr
Weitere Kostenlose Bücher