Die Vergessenen Welten 16 - Die Drachen der Blutsteinlande
Heim zurück. Stattdessen bewegte sie sich in südliche Richtung zu einem frei stehenden Turm, in dem ihre Schwester ihr Quartier aufgeschlagen hatte. Sie machte sich nicht die Mühe anzuklopfen, denn sie wurde erwartet.
»Es war so leicht zu finden, dass du nicht einmal einen ganzen Tag bleiben musstest?«, fragte die höher gewachsene, kupferhaarige Ilnezhara, als Tazmikella hereinkam.
»Es war genau, wie wir befürchtet haben.«
»Ein Buch Zhengyis, belebt durch die gefangene Seele eines toten Drachen?«
»Urshula, denke ich.«
»Der Schwarze?«
»Genau.«
»Und das Buch?«
»Zerstört. Zerrissen und verbrannt. Jarlaxles Werk, nehme ich an. Dieser Drow ist zu schlau, um sich einen solchen Schatz entgehen zu lassen. Er hat die Wahrheit über Zhengyis Bücher erkannt, als er Herminicles Turm zerstörte.«
»Und wir haben ihm zu viele Hinweise gegeben«, fügte Ilnezhara hinzu.
Beide schwiegen einen Moment und dachten über die Situation nach. Vor Jahren hatte Zhengyi Ilnezhara und Tazmikella ein Angebot gemacht. Wenn sie in seinen Eroberungsarmeen dienten, würde er sie beide mit einem verzauberten Amulett belohnen und ihren Geist retten, wenn sie starben. Er hatte den Schwestern Unsterblichkeit als Untote angeboten.
Aber beide Drachen waren zu dem Schluss gekommen, dass der Preis zu hoch war, und obwohl die Aussicht, als untoter Drache zu überleben, besser sein mochte als der Tod, kam es ihnen dennoch alles andere als verlockend vor.
»Jarlaxle hat genau verstanden, was zwischen den Seiten von Zhengyis Buch vergraben lag, also können wir annehmen, dass er jetzt Urshula hat, sicher irgendwo in einer außerdimensionalen Tasche«, sagte Tazmikella schließlich.
»Dieser Drow spielt gefährliche Spiele«, stellte Ilnezhara fest. »Er mag wissen, wie mächtig das Amulett ist, aber versteht er auch die Magie dahinter? Wird Jarlaxle anfangen, Drachen an seine Seite zu locken, wie Zhengyi es getan hat?«
»Wenn er eines Tages anspaziert kommt und uns einen dunklen Pakt anbietet, bei dem wir als Untote enden würden, werde ich ihn in der Mitte durchbeißen«, versprach Tazmikella.
Ilnezhara setzte eine schmollende Miene auf. »Könntest du ihn nicht einfach anketten und ihn mir überlassen, damit ich ihn ein paar Jahrhunderte nutzen kann, wie es mir passt?«
»Schwester ...«, warnte Tazmikella.
Ilnezhara lachte einfach nur, aber es lag eine gewisse nervöse Anspannung darin. Denn den Schwestern wurde immer klarer, dass man Jarlaxle, den sie für nichts weiter als einen Handlanger gehalten hatten, nicht unterschätzen sollte.
»Jarlaxle und Entreri haben einen untoten Drachen besiegt«, erklärte Tazmikella, und damit verging ihnen das Lachen endgültig. »Und Urshula der Schwarze war kein geringer Drache, sei es lebendig oder tot.«
»Und nun steckt er in Jarlaxles Tasche, wörtlich genommen und im übertragenen Sinn.«
»Wir sollten mit den beiden reden.«
Ilnezhara nickte zustimmend.
Hin und wieder geschah es, dass der leidenschaftlich unabhängige Artemis Entreri sich an einem Ort und zu einer Zeit wiederfand, die er beide nicht selbst bestimmt hatte, und in einer Situation, aus der er nicht sofort entkommen konnte. So war es zum Beispiel für Monate in Menzoberranzan gewesen, als Jarlaxle ihn aus einem katastrophalen Kampf gegen Drizzt Do’Urden vor Mithril-Halle gerettet und ihn beim Rückzug der Dunkelelfen aus dem Zwergenland mitgenommen hatte.
In jüngeren Jahren, als er der gefährlichen Basadoni-Gilde in Calimhafen diente, war es ihm öfter so ergangen. In diesen frühen Phasen seiner Laufbahn hatte Artemis Entreri getan, was man ihm sagte. Wenn ihm ein Auftrag nicht gefiel, hatte er nur die Achseln gezuckt und ihn trotzdem angenommen – was hätte er schon tun können?
Als er älter wurde und sich einen Ruf erworben hatte, der selbst die Paschas nervös machte, hatte Entreri nur noch Aufträge angenommen, die er selbst auswählte, und keine anderen. Dennoch landete er hin und wieder an einem Ort, an dem er nicht sein wollte, wie an diesem Morgen in Dorf Blutstein.
Er beobachtete die Zeremonie mit seltsamer Distanziertheit, als stünde er in der Menge, die sich vor der erhöhten Plattform vor König Gareths Palast versammelt hatte, und nicht auf der Plattform selbst. Mit einiger Erheiterung sah er zu, wie Davis Eng vortrat und seine Ehrung entgegennahm. Der Mann war nicht einmal aus eigener Kraft bis nach Palishchuk gekommen. Er war schon unterwegs niedergestreckt worden, und man
Weitere Kostenlose Bücher