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Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing

Titel: Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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aufgemacht, um ihm davon zu erzählen, erstarben meine Worte unausgesprochen. Zum Ersten bestanden die Gründe, weshalb ich die Sache für mich behalten hatte, natürlich nach wie vor. Zum Zweiten hätte er diese Gründe wahrscheinlich nicht verstanden. Und zum Dritten hielt ich den Zwischenfall immer noch für unerheblich. Falls meine Vermutung tatsächlich zutraf und Geoff derjenige war, der mich überfallen hatte, dann, nun ja, war von dieser Seite vorerst nichts zu befürchten. Solange er im Krankenhaus lag, brauchte ich mir seinetwegen keine Gedanken zu machen.
    Aber der eigentliche Grund, weshalb ich Vickers gegenüber nichts davon erwähnte, wog viel schwerer: Ich traute ihm nicht. Und ich war mir recht sicher, dass er mir auch nicht traute. Vielleicht weil ihm meine Verwirrung, was Geoff betraf, nicht entgangen war, oder weil er so seine eigenen Vorstellungen hatte– jedenfalls hörte ich zum ersten Mal Vorbehalte aus seinen Äußerungen mir gegenüber heraus. Das alles im Hinterkopf schien es mir doch angeraten, vorsichtig zu sein. Mühsam holte ich mich in die Gegenwart zurück, in die Wirklichkeit, zu meinen kalten Füßen und meiner bleiernen Müdigkeit, und stellte mich innerlich auf ein Kräftemessen mit diesem Polizeibeamten ein.
    Vickers war unterdessen in Schweigen versunken, doch jetzt wandte er sich mit einem Funkeln in seinen scharfsichtigen Augen noch einmal an mich. » Falls Sie etwas wüssten, das angesichts dessen, was ich gerade sagte, von Bedeutung sein könnte– ich meine, falls Ihnen Zusammenhänge bekannt wären, von denen ich wissen sollte– dann würden Sie mir das doch sagen, oder?«
    » Wissen Sie, Sie haben das Nächstliegende bisher ganz außer Acht gelassen«, erwiderte ich ein wenig hölzern. Mir war sehr wohl bewusst, dass Vickers mich in diese Richtung dirigiert hatte und dass ich, wenn ich diesen Aspekt weiterhin auszuklammern versuchte, sicher mehr Verdacht schürte als zerstreute. » Ich habe Jenny auch gekannt. Ich war ihre Lehrerin. Ich habe ihre Leiche gefunden. Und diese ganze Sache hier«, erklärte ich weiter und deutete auf Geoffs Auto, wobei ich nicht an das denken wollte, woran es die ganze Zeit erinnerte, » hat unmittelbar vor meiner Haustür stattgefunden. Ich befinde mich also inmitten Ihrer Überschneidungslinien, finden Sie nicht auch?«
    Vickers lächelte schwach, und betrübt musste ich feststellen, dass meine Zweifel berechtigt waren. Eigentlich mochte ich Sie … Ich sammelte all mein logisches Denkvermögen.
    » Ich denke aber, dass Ihre Argumentationskette einen Fehler hat.«
    Er hob die Augenbrauen.
    » Das alles hat mit mir nichts zu tun. Ich habe keine Ahnung, was passiert ist, weder mit Jenny noch mit Geoff.« Meine Stimme hatte einen dünnen und schwächlichen Klang bekommen, der meine Erschöpfung verriet. » Manchmal treffen Ereignisse eben einfach aufeinander. Warum muss es unbedingt einen Zusammenhang geben zwischen den beiden?« Oder sogar dreien? Mehr denn je war ich überzeugt, dass es besser war, Vickers dieses kleine Geschoss nicht in die Hand zu geben.
    » Es muss nicht unbedingt einen Zusammenhang geben, aber bis auf Weiteres gehe ich davon aus, dass einer besteht. Nur weil Sie nicht willens oder in der Lage sind, ihn zu erkennen, heißt das nicht, dass Sie nicht etwas wissen, das mir weiterhelfen würde. Zwei Verbrechen wie diese– zwei brutale Überfälle– selbstverständlich sehe ich da eine Verbindung.«
    » Ich glaube, Sie suchen nach Mustern, die es gar nicht gibt, weil Sie noch nicht einmal wissen, was Jenny zugestoßen ist. Das sollten Sie nämlich auch in Ihre Gleichung aufnehmen.«
    » Wir gehen mehreren Ermittlungsansätzen nach, die wir natürlich nicht öffentlich diskutieren werden. Aber seien Sie sicher, dass die Ermittlungen in vollem Gange sind.«
    » Das sieht mir aber gar nicht danach aus«, entgegnete ich bissig. » Es kommt mir eher so vor, als ob Sie weder Ideen noch Beweise haben und stattdessen versuchen, das Ganze in diese Hypothese zu pressen, mit der Sie beschäftigt sind, seit Jennys Leiche entdeckt wurde. Ich weiß doch, wie das bei der Polizei läuft. Wenn Sie nichts in der Hand haben, fangen Sie an, kreativ zu werden.« Das Gesicht meines armen Vaters, der immer und immer wieder vernommen wurde, kam mir in den Sinn. Für den Ermittlungsbeamten wäre es ein Leichtes gewesen, den Verdacht, der sich über unserer Familie zusammengebraut hatte, zu zerstreuen. Er hätte es nur tun müssen. Leise und

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