Die verschollenen Tagebücher des Adrian Mole
Tesafilm sei alle. Das führte zu einem Streit, in dem sich diverse Familienmitglieder
gegenseitig vorwarfen, beim Geschenkeverpacken zu viel Tesa zu verschwenden, zu hamstern oder zu benutzen.
Als einzig Nüchterner unter den Anwesenden wurde ich genötigt, zur BP-Tankstelle zu fahren. Die Schreibwarenregale waren leergefegt, aber mein Freund Mohammed, der Geschäftsführer, hatte Mitleid mit mir und schenkte mir etwas Klebeband aus seinem Büro. Es war ein Akt christlicher Nächstenliebe. Später blies ich mir gerade die Federn mit dem Fön aus der Unterhose, als meine Mutter in mein Zimmer gestürmt kam. Sie sagte: »Wenn du absonderlichen sexuellen Praktiken frönen willst, solltest du die Tür abschließen.«
Samstag, 25. Dezember
Erster Weihnachtsfeiertag
William wurde seines Hauptgeschenks, des Barbie-Friseursalons, bald überdrüssig: Die Lockenwickler waren zu klein und fisselig, und Barbie rutschte immer vom Stuhl, bis ich sie mit einem Klümpchen Blu-Tack-Klebeknete befestigte. Mein Vater traf um elf Uhr ein und feixte, als er William die Puppenlocken mit einer winzigen Plastikbürste kämmen sah. »Aus dem wird noch mal eine verdammte Schwuchtel«, lachte er, bevor er William ein ungeschickt eingewickeltes Geschenk in die Arme drückte. Darin war ein Action Man auf einem Motorrad, bewehrt mit einem Raketenwerfer und ausreichend Munition, um ganz China auszulöschen. Ich sagte: »Ich hatte ausdrücklich darum gebeten, William kein geschlechterspezifisches Spielzeug zu schenken.« Später beobachtete ich mit Abscheu, wie mein kleiner Sohn
Action Man im Friseursalon randalieren, Barbie kidnappen und allerhand Demütigungen unterwerfen ließ.
Sonntag, 26. Dezember
Zweiter Weihnachtsfeiertag
Die Moles tranken heute mit den Braithwaites Tee. Die Atmosphäre war von Anfang an angespannt und verschlechterte sich noch, als meine Mutter sich über den Millenium Dome in London lustig machte, indem sie befand, er sehe aus wie ein weibliches Stachelschwein kurz vor der Paarung. Pandora entgegnete schnippisch, sie sei zur großen Silvesterfeier im Dome eingeladen. Auf meine Bitte, ihre Eintrittskarte sehen zu dürfen, erwiderte sie, die sei noch »in der Post«.
Freitag, 31. Dezember 1999
Silvester
Heute habe ich mir das Auto meiner Mutter geliehen und bin auf der fruchtlosen Suche nach Fackeln und Feuerwerk den ganzen Abend mit Glenn und William durch Leicestershire gekurvt. Im Victoria Park stießen wir schließlich auf einen von einer Gasflasche befeuerten Grill auf einem Sockel. Ein freundlicher Hindu verteilte Samosas an die wenigen Zuschauer. Als die Uhr am Rathaus zu schlagen begann, begrüßten wir das neue Jahr mit einer Flasche fertig gemischtem Sekt mit Orangensaft, die wir uns mit einem Grüppchen als Dornröschen, Aschenputtel, Schneeweißchen etc. verkleideten Transvestiten teilten. William
bat darum, den »wunderschönen Prinzessinnen« vorgestellt zu werden. Dass die meisten von ihnen Bartstoppeln hatten, schien er überhaupt nicht zu bemerken.
Nachdem der zwölfte Schlag verklungen war, küsste ich meine Jungs, und dann hakten wir uns mit Wildfremden unter und versuchten, »Auld Lang Syne« zu singen. Ein paar rüpelhafte Elemente in der Menge hielten sich zwar an die Melodie, improvisierten aber den Text und grölten Unflätiges und Verleumderisches über Sir Cliff Richard. Später zu Hause sah sich die ganze Familie gemeinsam im Fernsehen an, wie die illustren Gäste im Millenium Dome überkreuz die Arme verschränkten. Glenn fragte: »Warum sind denn der Queen ihre Arme falsch rum verschränkt, Dad?« Dieses eine Mal verzichtete ich darauf, seine fürchterliche Grammatik zu korrigieren, habe aber fest vor, es im Jahr 2000 zu tun.
Als ich die Treppe hoch ins Bett ging, flüsterte Iwan mir betrunken zu: »Deine Mutter hat mir von deinem Feder-Fimmel erzählt. Willst du darüber reden?« In genau diesem Augenblick beschloss ich, in die Scrag Close Nummer 7 zu ziehen – die Sozialwohnung, die ich zuvor, arrogant und dumm wie ich war, abgelehnt hatte.
2000
Montag, 3. Januar 2000
Wisteria Walk, Ashby-de-la-Zouch, Leicestershire
Wie begrüße ich nun also das neue Jahrtausend? Verzweifelt. Ich bin alleinerziehender Vater, ich wohne bei meiner Mutter, meine Romane bleiben unveröffentlicht. Mein Kochbuch Alle schreien nach Innereien liegt in jedem schlechten Buchladen für 59 Pence herum. Auf meinem Hinterkopf prangt eine kahle Stelle in der Größe eines Jaffa-Kekses.
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