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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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anprobiert hatte. Meine geliebten roten Schuhe von Bruno Magli waren nach all den Jahren so abgetreten, dass nicht einmal mehr der alte Signor Delgado in Harlem sie noch retten konnte.
    Ich war zu dem Schluss gekommen, dass ich mir in diesem Sommer keine Schuhe leisten konnte, die fast dreihundert Dollar kosteten - eine weise Entscheidung angesichts der Ausgaben, mit denen ich mich im Augenblick konfrontiert sah. Und ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass sich irgend jemand von den Einwanderern an der Balmoral Avenue und Glenwood Avenue solche Schuhe leisten konnte. Wer in der Stadt, überlegte ich, während ich ins Bett ging, betrachtete wohl gerade voller Ärger den beschädigten Riemen seines Schuhs oder seiner Handtasche?
    Habeas Corpus?
    Mary Louise rief mich früh am Morgen an. »Vic, ich muss gleich los und Nate zum Sommerhort bringen, also kann ich nicht so lang reden, und ich habe auch nicht so viel herausgefunden. Nicola Aguinaldo hat als Kindermädchen für eine Frau namens Baladine draußen in Oak Brook gearbeitet. Sie war zwei Jahre bei ihr beschäftigt, als sie eine Goldhalskette mit kleinen Diamanten oder Rubinen im Wert von vierzig- oder fünfzigtausend Dollar gestohlen hat. Die Leute haben Anzeige erstattet.«
    »Die Baladines?« fiel ich ihr ins Wort. »Robert Baladine?« »Ja, Robert, Eleanor und ihre drei Kinder. Kennst du die?« »Nein, so wurde ich das nicht ausdrücken. Der Typ ist ein so großer Fisch, dass ich ihn nicht mal mehr als Konkurrenz sehe. Baladine ist der Leiter von Carnifice - du weißt schon, diese riesige Privatdetektei. Aber in der Größe heißt das, glaube ich, anders, >Sicherheitsdienst< oder so.«
    »Jedenfalls hat Mrs. Baladine diese Halskette geliebt - Robert hat sie ihr anlässlich der Geburt des kleinen Robbie geschenkt und so weiter und so fort, also hat sie wie gesagt Anzeige erstattet und sich nicht erweichen lassen. Die Verteidigung hat versucht, ins Feld zu führen, dass Nicola Aguinaldo sich bis dahin nichts hatte zuschulden kommen lassen und dass sie nicht nur ihre Mutter, sondern auch noch ihre zwei Kinder allein versorgen musste, aber in dem Monat war mal wieder ein harter Kurs gegen Ausländer fällig, und so hat sie fünf Jahre gekriegt. Im Gefängnis hat sie sich vorbildlich geführt und sich sogar bis zur Näherei hoch gearbeitet, was in Coolie eine privilegierte Tätigkeit ist. Nach fünfzehn Monaten ist sie dann abgehauen. Ihre letzte bekannte Adresse war an der Wayne Street, ungefähr zweihundert Meter von der Stelle entfernt, wo wir sie gefunden haben.« Sie las mir die Adresse sowohl von Nicola Aguinaldo als auch von den Baladines vor.
    »Aber jetzt muss ich los - Natie hat schon Angst, dass er die Eröffnungsfeier verpasst. Er freut sich so drauf, die Flagge zu hissen und die Reveille zu spielen. Wer weiß - vielleicht geht er ja zum Militär oder zur Polizei, wenn er erwachsen ist.«
    »Vielleicht spielt er auch nur das Horn. Ich kauf ihm eins zum Geburtstag.«
    »Wehe, Vic! Sonst kann er jeden Morgen um sechs unter deinem Fenster üben!«
    Es war noch nicht ganz acht, als sie auflegte, also zu früh, um schon einen Lagebericht von Freeman erwarten zu können. Und Vishnikov würde ich Gelegenheit geben, in Ruhe seine Jacke auszuziehen und einen Kaffee zu trinken oder wie sein morgendliches Ritual auch immer aussehen mochte. Ich machte inzwischen im Wohnzimmer Gymnastik einschließlich Hantelübungen. Danach legte ich die Hanteln sogar wieder in den Schrank zurück, bevor ich im Leichenschauhaus anrief. Vishnikov war gerade mit einer Obduktion beschäftigt und wollte nicht gestört werden. Ich hinterließ eine Nachricht und ging mit den Hunden spazieren.
    Die Luft war schwer und feucht, aber die Hitze noch nicht so unerträglich wie später am Tag. Ich joggte mit den Hunden zum Lake Michigan und wieder zurück, ein hübscher Ausflug von etwas mehr als fünf Kilometern. Die Polizei hat eine großangelegte Kampagne gegen Leute gestartet, die ihre Hunde nicht an die Leine nehmen oder im See schwimmen lassen, aber ich hatte Glück und schaffte es, Mitch und Peppy ins Wasser und wieder heraus zu bekommen, ohne mir eine Verwarnung einzuhandeln.
    »Lemour ist mir vielleicht auf den Fersen, aber ein Frühaufsteher ist er mit Sicherheit nicht«, sagte ich auf dem Rückweg zu den Hunden.
    Als ich zu Hause war, rief ich sofort wieder bei Vishnikov an, aber der nahm immer noch keine Gespräche entgegen. Ich wollte so schnell wie möglich hinaus nach Oak Brook

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