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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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beleidigender Sanftmut, »ein Mann von Eurer Bedeutung hat viel zu tun.«
    Rebecca runzelte tadelnd die Stirn, sie half Columba auf und ging wortlos mit ihr zur Tür. Van Gelderns neuer Angestellter folgte, drehte sich an der Tür jedoch noch einmal um.
    »Ein Letztes noch: Hat die Ketzerin selbst Anschuldigungen gegen Columba van Geldern erhoben? Wenn ja, wird sich eine Anklage unsererseits nicht vermeiden lassen, um den Ruf des Hauses zu schützen.«
    Die Adern im Nacken des Gewaltrichters schwollen bedrohlich an. Mit zusammengebissenen Zähnen zischte er: »Ein Prozeß ist unnötig, hört Ihr. Die Ketzerin hat bereits alle Schuld auf sich genommen. Ihr Schlag gegen ein braves Bürgermädchen wird sie noch teurer zu stehen kommen. Das verspreche ich und hoffe, daß Euch damit endlich Genüge getan ist. Tringin wird büßen.«
    Vom Gang her ertönte ein erstickter Aufschrei. Rebecca legte ihre schlanke Hand fest auf Columbas Mund und zog sie die steile Treppe hinab. Lazarus verbeugte sich und schloß die Tür.
    Zu dritt passierten sie den Morgenwächter, der das Maul aufriß und ihnen kopfschüttelnd nachstarrte, während sie in der lärmenden Menge verschwanden. Rebecca hielt Columba fest beim Arm, ging mit großen Schritten die Werft entlang und bog rechts durch die Pforte zum Fischmarkt ein. Sie passierten die Kaufhalle, in der um die letzten Räucheraale, Stockfische und eingesalzenen Lampreten gefeilscht wurde. Die amtlichen Heringsschröder brannten den kölnischen Dreikrone-Stempel auf Fässer und Tonnen, um die Qualität der angelieferten Waren zu bestätigen, die, mit diesem Gütesiegel versehen, weiter rheinauf verschifft und zu noch höherem Preis verkauft werden sollten.
    Die beiden Frauen bemühten sich, den glitschigen Fischabfällen auszuweichen. Struppige Katzen kreuzten ihren Weg, die das genaue Gegenteil im Sinn hatten. Auf flinken Pfoten versuchten sie, den Leimköchen, die auf der Suche nach tranigen Fischschuppen waren, und streunenden Schweinen, die mit ihren Rüsseln nach Leckerbissen wühlten, zuvorzukommen.
    Die Frauen bogen in die Lintgasse ein, wo Greise und Kinder aus Lindenbast die Körbe für den Fischtransport flochten und Schnürseile drehten. Aufatmend hoben Rebecca und Columba die Köpfe. Über den Haustüren und Toren knarrten Haus- und Wappenschilder im Wind, die dem Ortsfremden mit deutlichen Bildern den Weg wiesen. Ein in eine prächtige Rüstung gewandeter Reiter verriet dem Suchenden, der des Lesens nicht mächtig war, daß er das Haus »Zum Ritter« gefunden hatte, ein halber Mond das gleichnamige Wirtshaus. Als sie das »Haus zum Geier« passierten, blieb Columba plötzlich stehen.
    »Vor diesem Totenvogel, Tante, hast du mich gerettet. Ohne dich wäre ich jetzt verloren. Ich danke dir, nie werde ich vergessen, was du für mich getan hast, obwohl ich dein Vertrauen und dein Gewand schändlich mißbraucht habe.«
    Rebecca hob müde und erschöpft die Augen. Sie sparte sich jeden Tadel, jeden Vortrag gegen Ketzer – was Columba dankbar registrierte, aber nicht verstand. Die Tante sagte nur: »Ich glaube, noch größerer Dank gebührt deinem treuen Freund dort. Seine entschlossene Verteidigung hat den Gewaltrichter wanken gemacht. Er ist ein wahrer Freund. Ich hoffe nur, daß er dir nicht mehr ist, dein Vater würde es nicht billigen.«
    Columba schüttelte ärgerlich den Kopf. »Was denkst du nur, keinen Mann verabscheue ich mehr als ihn.«
    Rebecca schien beruhigt, denn auf heimliche Liebschaften gegen den Willen der Eltern standen hohe Strafen in Köln. Sie wandte sich mit herzlichem Lächeln Lazarus zu, der eben zu ihnen aufschloß. »Sag ihm wenigstens Dank und verletze seine Gefühle nicht«, flüsterte sie ihrer Nichte zu und schlenderte zu einer gegenüberliegenden Gaddeme, wo eine Korbmacherfrau ihre Waren feilbot.
    Columba seufzte widerwillig und sah dem jungen Mann in die Augen. Wieder lag dieser Ausdruck von Sorge darin, der sie zaghaft machte.
    »Lazarus«, begann sie mit leiser Stimme, »ich muß dir danken. Ich ...« Der junge Mann unterbrach sie überraschend hart: »Schweig! Das ist nun das zweite Mal, daß ich dich vor einer tödlichen Dummheit schützen mußte. Wirst du nie vernünftig werden? Siehst du nicht, was du angerichtet hast mit deiner unüberlegten, törichten Tat?«
    Columba stockte der Atem. Das hatte sie nicht verdient. »Unüberlegt, sagst du? Ich mußte beherzt handeln, nachdem du jede Gelegenheit zur Rettung hast verstreichen lassen, obwohl

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