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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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zusammen?«
    »Nein! Wenn ich es doch sage!«
    »Dann finden Sie mich also nicht hässlich?«
    »Hässlich? Aber, Nola, du bist wunderhübsch.«
    »Wirklich? Ich war so traurig … Ich dachte, Sie wollten nichts mehr von mir wissen. Ich wollte mich schon aus dem Fenster stürzen.«
    »So etwas darfst du nicht sagen.«
    »Sagen Sie mir noch mal, dass ich hübsch bin …«
    »Ich finde dich sehr hübsch. Es tut mir leid, dass ich dir Kummer bereitet habe.«
    Wieder lächelte sie. Es war also alles nur ein Missverständnis! Er liebte sie. Sie liebten sich. Leise sagte sie: »Reden wir nicht mehr darüber. Nehmen Sie mich in den Arm … Ich finde Sie so klug, so schön, so elegant …«
    »Ich kann nicht, Nola.«
    »Warum? Wenn Sie mich wirklich hübsch fänden, würden Sie mich nicht abweisen!«
    »Ich finde dich wunderhübsch, aber du bist noch ein Kind.«
    »Ich bin kein Kind mehr!«
    »Nola … Du und ich, das geht nicht.«
    »Warum sind Sie so gemein zu mir? Ich will nie wieder mit Ihnen sprechen!«
    »Nola, ich …«
    »Lassen Sie mich jetzt. Lassen Sie mich in Ruhe, und sprechen Sie mich nie wieder an, sonst erzähle ich allen, dass Sie ein Perverser sind. Gehen Sie zurück zu Ihrem Schätzchen! Sie hat mir gesagt, dass Sie zusammen sind. Ich weiß alles! Ich weiß alles, und ich hasse Sie, Harry! Verschwinden Sie!« Sie stieß ihn beiseite, stürmte die Stufen hinunter und floh aus dem Kino.
    Niedergeschlagen kehrte Harry in den Saal zurück. An der Tür stand plötzlich Nolas Vater vor ihm. »Guten Tag, Harry.«
    »Reverend!«
    »Ich suche meine Tochter. Haben Sie sie gesehen? Ich hatte sie gebeten, schon mal Plätze zu reservieren, aber sie hat sich in Luft aufgelöst.«
    »Ich … Ich glaube, sie ist gerade gegangen.«
    »Gegangen? Wie das? Der Film fängt gleich an.«
    Nach dem Kino fuhren sie zum Pizzaessen nach Montburry. Auf der Rückfahrt nach Aurora strahlte Jenny. Es war ein toller Abend gewesen. Mit diesem Mann wollte sie jeden Abend, ja, ihr ganzes Leben verbringen.
    »Harry, bring mich nicht direkt nach Hause«, bat sie. »Es war alles so perfekt … Ich möchte den Abend noch ein wenig verlängern. Wir könnten an den Strand gehen.«
    »An den Strand? Warum ausgerechnet an den Strand?«, fragte er.
    »Weil es so romantisch ist! Parke am Grand Beach, dort ist nie jemand. Wir könnten wie Studenten flirten, uns auf die Motorhaube legen, die Sterne anschauen und die Nacht genießen. Bitte …«
    Er wollte Nein sagen, aber sie ließ nicht locker. Also schlug er stattdessen den Wald vor: Der Strand gehörte Nola. Er parkte unweit der Side Creek Lane, und kaum hatte er den Motor abgestellt, warf Jenny sich auf ihn und küsste ihn ab. Sie hielt seinen Kopf fest und erstickte ihn fast mit ihrer Zunge, ohne sich darum zu kümmern, ob er das überhaupt wollte. Ihre Hände berührten ihn überall, und dabei stöhnte sie widerwärtig. Trotz der Beengtheit im Wageninneren kletterte sie auf ihn. Er spürte ihre harten Brustwarzen an seinem Oberkörper. Sie war umwerfend und lieb, sie würde eine vorbildliche Ehefrau abgeben, und nichts anderes wollte sie – von einer Frau wie Jenny träumten die meisten Männer. Aber sein Herz war vergeben, vier Buchstaben hatten es vereinnahmt: N-O-L-A.
    »Harry«, sagte Jenny. »Du bist der Mann, auf den ich immer gewartet habe.«
    »Danke.«
    »Bist du glücklich mit mir?«
    Er antwortete nicht, sondern schob sie sanft von sich herunter. »Wir sollten zurückfahren, Jenny. Ich habe nicht gemerkt, wie spät es schon ist.« Er ließ den Wagen an und fuhr zurück nach Aurora.
    Als er sie zu Hause absetzte, bemerkte er nicht, dass sie weinte. Warum hatte er ihr nicht geantwortet? Liebte er sie etwa nicht? Warum fühlte sie sich so einsam? Sie verlangte doch gar nicht viel: Alles, wonach sie sich sehnte, war ein netter Mann, der sie liebte und beschützte, ihr ab und zu Blumen schenkte und sie zum Essen ausführte. Von ihr aus sogar zu Hotdogs, falls das Geld knapp war. Es ging doch um die Freude, gemeinsam auszugehen. Was brauchte sie Hollywood noch, wenn sie jemanden fände, den sie liebte und der sie ebenfalls liebte? Von der Veranda aus blickte sie dem davonfahrenden schwarzen Chevrolet hinterher und brach in Schluchzen aus. Sie vergrub das Gesicht in den Händen, damit ihre Eltern sie nicht hörten, vor allem ihre Mutter nicht, denn sie wollte ihr keine Rechenschaft ablegen müssen. Bevor sie hineinging, wollte sie warten, bis die Lichter im ersten Stock gelöscht waren. Da

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