Die Wanderbibel
nur für trittsichere und schwindelfreie Wanderer geeignet ist die Tour, die vom österreichischen Ehrwald aus über die Wiener-Neustädter-Hütte auf Deutschlands höchsten Berg führt. Der Königsweg ist aber der Weg durch das Höllental. Eine Tour, die nicht nur über einen der ganz wenigen Gletscher Deutschlands führt, sondern bei der auch noch ein formidabler Klettersteig zu bewältigen ist. Also ganz klar ein Weg nur für Hardcore-Wanderer.
Hier ist eine kurze Erklärung zum Thema Klettersteig angebracht. Bei Klettersteigen handelt es sich um eine Art Bindeglied zwischen Bergwandern und Klettern. Im Fels des Steigs als Tritthilfe angebrachte Eisenleitern, Eisenstifte, Eisenklammern und Drahtseile ermöglichen es nämlich auch dem nicht klettertechnisch ausgebildeten »Normalo-Wanderer« – wenn auch nicht sehr elegant –, die Welt der Senkrechten für sich zu erschließen. So kann er sich an Bergen versuchen, die er ohne diese Hilfsmittel auch in seinen kühnsten Träumen nicht bezwingen könnte. Vorausgesetzt der »Klettersteiggeher« ist auch schwindelfrei. In Italien wird ein Klettersteig als »via ferrata« bezeichnet, was wörtlich übersetzt »Eisenweg« bedeutet und damit den Charakter eines Klettersteigs ausgezeichnet beschreibt. Viele »echte« Bergsteiger, also solche mit einer ordentlichen Ausbildung, blicken mit tiefer Verachtung auf solche verdrahteten Wege. Sie sehen in den Eisenwegen zum einen eine »Metallverschandelung« einst jungfräulicher Felswände, zum anderen betrachten sie die eisernen Kletterhilfen als absolut verbotenes Hilfsmittel. Sie sind Puristen: Eine Felswand sollte schließlich »by fair means« bezwungen werden.
Angst, auf exponierten Routen in die Tiefe zu stürzen, muss der Klettersteiggeher nicht haben. Er kann sich stets an den im Fels fixierten »stationären Sicherungselementen« mithilfe eines sogenannten Klettersteigsets sichern. Dieses Set besteht aus Seilen oder Bandschlingen, die am Klettergurt befestigt werden, und zwei Karabinerhaken, von denen mindestens einer an den Stahlseilen des Klettersteigs eingeklinkt werden muss. Bei einem etwaigen Sturz sorgt eine sogenannte Seilbremse dafür, dass dieser dynamisch abgefedert wird.
Zur sicheren Bewältigung eines Klettersteigs sind noch weitere Ausrüstungsgegenstände vonnöten: So sollte man zum Schutz der Hände vor defekten Stahlseilen oder Abschürfungen an Felsen nicht auf das Tragen von Lederhandschuhen verzichten. Während Profis und »Edel kletterer« hierbei auf speziell für Klettersteige angefertigte Handschuhe setzen, können sich Einsteiger mit stinknormalen Arbeitshandschuhen aus dem Baumarkt (zirka 3,50 € ) behelfen.
Nicht zu vergessen: Beim Klettersteiggehen ist das Tragen eines Helms zum Schutz vor Steinschlag obligatorisch.
In den Alpen wurden mittlerweile über 1.500 Klettersteige in allen Schwierigkeitsgraden angelegt. Und jedes Jahr kommen neue hinzu. Klettersteiggehen hat sich zu einer regelrechten Trendsportart entwickelt, an der bei geschickter Auswahl des Steigs nahezu alle Bergfreunde teilhaben können: Klettersteige der unteren Schwierigkeitsgrade bieten Familien mit Kindern lockeres »Genussklettern« mit eher homöopathisch dosiertem Nervenkitzel. Adrenalin-Junkies können sich dagegen an »Hammer-Klettersteigen« austoben. Etwa dem Reinhard-Schiestl-Klettersteig in den Stubaier Alpen mit seinen zahlreichen spektakulären, extrem ausgesetzten Passagen oder dem Jegihornsteig im Wallis, bei dem man sich den Angstschweiß auf schwankenden Seilbrücken auf die Stirn holen kann. »Sportklettersteige« haben seit ein paar Jahren Hochkonjunktur. Initiatoren sind meist lokale Tourismusverbände, die die Attraktivität ihres vermeintlich beschaulichen Ferienortes gerade für eine etwas jüngere, spaßorientierte Klientel erhöhen möchten.
Zurück zum geplanten Zugspitzabenteuer. Meine Frau, ebenfalls eine begeisterte Bergwanderin, wollte mich bei der geplanten Klettersteigtour gerne begleiten, stellte aber – als Juristin geradezu zwanghaft mit einem ausge prägten Sicherheitsdenken ausgestattet – eine Bedingung: Das korrekte Klettersteiggehen sollte zuvor in einem »ordentlichen« Kurs erlernt werden.
Eine Suche im Internet förderte rasch ein für uns maß geschneidertes Angebot zu Tage: Eine bayerische Alpin- und Kletterschule bot »konditionsstarken« Novizen ein eindrucksvolles Klettersteig-Einstiegswochenende, und zwar unter Anleitung eines examinierten Bergführers in
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