Die Weiße Ordnung
vorkam, richtete sich der Weiße Magier auf und sah Cerryl an. »Im Wesentlichen stimmt alles. Zumindest kann man von einem neuen Schüler nichts Besseres erwarten, und von einem Schreiberlehrling dazu.« Jeslek nickte. »Du kannst sie zu den anderen Karten in die Bibliothek legen.«
Kesrik gab sich keine Mühe, sein schadenfrohes Grinsen zu verbergen.
»Ja, Ser.«
»Bist du enttäuscht? Findest du mein Urteil zu streng?« Jeslek klang gut gelaunt und amüsiert, obwohl Cerryl eine gewaltige Weiße Kraft dahinter fühlte.
»Ihr seid mein Meister, Ser, und Ihr wisst meine Arbeit am besten zu beurteilen.« Cerryl war überrascht, wie ruhig sich seine Worte anhörten, wo doch ein so großer Unterschied herrschte zwischen seinem Zorn, den ausgesprochenen Worten und den gezeigten Gefühlen.
»Du glaubst es wirklich … wie erfrischend.« Der Magier hielt inne. »Gut für dich.« Die Weiße Kraft schwand. »Geh und stell die Karte zu den anderen. Komm morgen früh wieder. Gleich nach dem Frühstück. Sofort danach.«
»Ja, Ser.«
»Und nun geh.«
Cerryl rollte vorsichtig die Karte wieder zusammen.
Jeslek nickte Kesrik zu, der sich daraufhin umdrehte und das Spähglas von dem kleinen Tisch zurückholte.
Cerryl verbeugte sich und ging. Er war froh, dass Jeslek keinen offenkundigen Fehler in der Karte gefunden hatte, und versuchte mit betont unbeteiligter und überlegener Miene den Raum zu verlassen.
Von der rotblonden Frau – oder von Lyasa – war auf dem Weg zur Bibliothek nichts zu sehen.
LVIII
A ls Cerryl zu Jesleks Tür ging, schwang in seinen Schritten mehr Selbstsicherheit mit, als er in seinem Inneren verspürte.
»Er erwartet Euch bereits«, verkündete Gostar, eine Hand locker um das Heft des Kurzschwertes aus Weißbronze gelegt, das die meisten Wachen im Innern der Gildehallen trugen.
»Danke.« Cerryl klopfte vorsichtig an.
»Herein.«
Der Magierschüler betrat die Gemächer des Magiers, der beim Spähglas stand – alleine. Die unsichtbare Weiße, die den Tisch umgab, wies darauf hin, dass Jeslek das Glas soeben benutzt hatte. »Zu Euren Diensten, Ser.«
»Deine Karte ist gut.« Jeslek sah Cerryl ins Gesicht.
»Ser … Ihr schient gestern nicht sehr erfreut gewesen zu sein. Ich werde versuchen, in Zukunft besser zu arbeiten.«
»Sie ist gut«, wiederholte Jeslek. »Und doch habe ich das nicht gesagt. Warum wohl?«
»Weil Kesrik hier war.«
Jeslek nickte. »Habe ich dir erlaubt, mit Chaos-Feuer zu arbeiten?«
»Nein, Ser.«
»Kesrik ist seit fast vier Jahren Magierschüler. Seit zwei Jahren arbeitet er mit Chaos-Feuer. Meine Gründe werden dir einleuchten, wenn du das bedenkst.« Jeslek lächelte flüchtig. »Du bist sehr klug, Cerryl. Vielleicht zu klug. Im Grunde deines Herzens verstehst du jedoch nicht, was die Gilde ist und warum sie gut ist für Fairhaven und Candar. Zusammen mit deiner Begabung stellt das ein Problem für uns dar.«
Da Cerryl dazu nicht viel sagen konnte – obwohl er bezweifelte, dass er eine derart große Begabung besaß –, nickte er und wartete einfach ab.
»Sterol und ich sind uns darüber einig.«
Jesleks etwas zu höflicher Ton bestätigte, dass es nur wenige Dinge gab, über die sich die beiden Magier einig waren, und das hier war eines davon.
»Du wirst zu Myral gehen, sofort wenn du meine Gemächer verlassen hast. Du wirst ihm bei der Kanalinstandsetzung bis zum Frühling helfen … oder auch länger, wenn es angebracht erscheint. Er erwartet dich bereits.« Jeslek lächelte milde. »Von mir bekommst du keine weiteren Anweisungen bis dahin. Und auch von keinem der anderen Magier, außer von Myral … ach ja, und Esaak. Er sagte mir, dass deine Berechnungen entsetzlich mangelhaft sind. Gib dir keine Mühe, den Erzmagier aufzusuchen. Er und ich haben alles schon besprochen.«
»Ja, Ser.« Cerryl verbeugte sich.
»Du hast meine Erlaubnis, Chaos deinen Fähigkeiten entsprechend einzusetzen, aber nur unter Myrals Anweisung – nur Myral.«
Cerryl wartete, um zu sehen, ob noch weitere Anweisungen folgten.
»Und, junger Cerryl?«
»Ja, Ser?«
»Ich weiß, dass du deine innersten Gefühle vor jedem Magier verbergen kannst. Das kann ich auch. Es ist ein nützliches Talent, das man jedoch nur sparsam einsetzen sollte. Man sollte nicht zu viel zu verbergen haben, besonders nicht als Schüler.«
»Ja, Ser.« Was sonst hätte Cerryl sagen können?
»Denk über das Licht nach, wenn du in der Dunkelheit der Kanäle arbeitest. Ich würde dir raten, viel
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