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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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Haufen, in seinen besonneneren Augenblicken, es höher schätzen würde, als Silber und Gold; so ist es, daß ein Lichtstrahl fiele auf das Dunkel unsers Daseyns und irgend ein Aufschluß uns würde über diese räthselhafte Existenz, an der nichts klar ist, als ihr Elend und ihre Nichtigkeit. Dies aber wird, gesetzt es sei an sich erreichbar, durch aufgedrungene und aufgezwungene Lösungen des Problems unmöglich gemacht.
    Jetzt aber wollen wir die verschiedenen Weisen der Befriedigung, welche diesem so starken metaphysischen Bedürfnisse wird, einer allgemeinen Betrachtung unterwerfen.
    Unter Metaphysik verstehe ich jede angebliche Erkenntniß, welche über die Möglichkeit der Erfahrung, also über die Natur, oder die gegebene Erscheinung der Dinge, hinausgeht, um Aufschluß zu ertheilen über Das, wodurch jene, in einem oder dem andern Sinne, bedingt wäre; oder, populär zu reden, über Das, was hinter der Natur steckt und sie möglich macht. – Nun aber setzt die große ursprüngliche Verschiedenheit der Verstandeskräfte, wozu noch die der viele Muße erfordernden Ausbildung derselben kommt, einen so großen Unterschied zwischen Menschen, daß, sobald ein Volk sich aus dem Zustande der Rohheit herausgearbeitet hat, nicht wohl eine Metaphysik für Alle ausreichen kann; daher wir bei den civilisirten Völkern durchgängig zwei verschiedene Arten derselben antreffen, welche sich dadurch unterscheiden, daß die eine ihre Beglaubigung in sich , die andere sie außer sich hat. Da die metaphysischen Systeme der ersten Art, zur Rekognition ihrer Beglaubigung, Nachdenken, Bildung, Muße und Urtheil erfordern; so können sie nur einer äußerst geringen Anzahl von Menschen zugänglich seyn, auch nur bei bedeutender Civilisation entstehn und sich erhalten. Für die große Anzahl der Menschen hingegen, als welche nicht zu denken, sondern nur zu glauben befähigt und nicht für Gründe, sondern nur für Auktorität empfänglich ist, sind ausschließlich die Systeme der zweiten Art: diese können deshalb als Volksmetaphysik bezeichnet werden, nach Analogie der Volkspoesie, auch der Volksweisheit, worunter man die Sprichwörter versteht. Jene Systeme sind indessen unter dem Namen der Religionen bekannt und finden sich bei allen Völkern, mit Ausnahme der allerrohesten. Ihre Beglaubigung ist, wie gesagt, äußerlich und heißt als solche Offenbarung, welche dokumentirt wird durch Zeichen und Wunder. Ihre Argumente sind hauptsächlich Drohungen mit ewigen, auch wohl mit zeitlichen Uebeln, gerichtet gegen die Ungläubigen, ja schon gegen die bloßen Zweifler: als ultima ratio theologorum finden wir, bei manchen Völkern, den Scheiterhaufen, oder dem Aehnliches. Suchen sie eine andere Beglaubigung, oder gebrauchen sie andere Argumente; so machen sie schon einen Uebergang in die Systeme der ersten Art und können zu einem Mittelschlag beider ausarten; welches mehr Gefahr als Vortheil bringt. Denn ihnen giebt die sicherste Bürgschaft für den fortdauernden Besitz der Köpfe ihr unschätzbares Vorrecht, den Kindern beigebracht zu werden, als wodurch ihre Dogmen zu einer Art von zweitem angeborenen Intellekt einwachsen, gleich dem Zweige auf dem gepfropften Baum; während hingegen die Systeme der ersten Art sich immer nur an Erwachsene wenden, bei diesen aber allemal schon ein System der zweiten Art im Besitz der Ueberzeugung vorfinden. – Beide Arten der Metaphysik, deren Unterschied sich kurz durch Ueberzeugungslehre und Glaubenslehre bezeichnen läßt, haben Dies gemein, daß jedes einzelne System derselben in einem feindlichen Verhältniß zu allen übrigen seiner Art steht. Zwischen denen der ersten Art wird der Krieg nur mit Wort und Schrift, zwischen denen der zweiten auch mit Feuer und Schwerdt geführt: manche von diesen haben ihre Verbreitung zum Theil dieser letztern Art der Polemik zu danken, und alle haben nach und nach die Erde unter sich getheilt, und zwar mit so entschiedener Herrschaft, daß die Völker sich mehr nach ihnen, als nach der Nationalität, oder der Regierung unterscheiden und sondern. Nur sie sind, jede in ihrem Bezirke, herrschend , die der ersten Art hingegen höchstens tolerirt , und auch dies nur, weil man, wegen der geringen Anzahl ihrer Anhänger, sie meistens der Bekämpfung durch Feuer und Schwerdt nicht werth hält; wiewohl, wo es nöthig schien, auch diese mit Erfolg gegen sie angewendet worden sind: zudem finden sie sich bloß sporadisch. Meistens hat man sie jedoch nur in einem Zustande

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